1 Allgemeines

1.1 Inhalt

 

Rz. 1

§ 22 KStG regelt für Genossenschaften (Rz. 15ff.) die steuerliche Behandlung von Rückvergütungen (Rz. 20ff.). Hierbei geht es um die Verteilung des Jahresgewinns an die Mitglieder der Genossenschaft. Die Vorschrift ordnet unter bestimmten Voraussetzungen einen begrenzten Abzug der Rückvergütung als Betriebsausgabe an.

 

Rz. 2

Abs. 1 regelt die Höhe der maximal abzugsfähigen Rückvergütung. Sie ist abhängig vom Umsatz, den die Genossenschaft aus dem Geschäft mit ihren Mitgliedern erzielt (Rz. 27ff.).

 

Rz. 3

Abs. 2 bestimmt in Satz 1 die formalen Voraussetzungen (Rz. 53ff.) für den vorgenannten Abzug. Durch Satz 2 werden bestimmte Nach- und Rückzahlungen der Genossenschaft den Rückvergütungen gleichgestellt (Rz. 62).

 

Rz. 4

Systematisch handelt es sich bei § 22 KStG durch die Betriebsausgabenabzugsmöglichkeit der Rückvergütung um eine Steuervergünstigung, denn andernfalls wäre die Gewinnverteilung nicht abziehbar (§ 8 Abs. 3 Satz 1f. KStG). Aus diesem Grund ist die Regelung m. E. auch nicht mit "überhobenen Beiträgen" i. S. d. § 21 KStG vergleichbar.[1] Durch den höhenmäßig eingeschränkten Abzug der – dem Grunde nach als Betriebsausgabe anerkannten – Rückvergütung handelt es sich zugleich um ein partielles Betriebsausgabenabzugsverbot. Die Platzierung als § 22 KStG resultiert daraus, dass das vierte Körperschaftsteuerkapitel ausweislich seiner Überschrift "Sondervorschriften für Genossenschaften" enthält – auch wenn es nur aus § 22 KStG besteht. Von der Gesetzestechnik her nennt § 22 KStG nicht negativ die nichtabzugsfähigen, sondern beschreibt positiv das Volumen abzugsfähiger Aufwendungen, das jährlich aus dem Gewinn des Mitgliedergeschäfts zu ermitteln ist. Es ist insoweit mit der Regelung für Beitragsrückerstattungen in § 21 KStG vergleichbar.[2]

[1] A. A. Roser, in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 22 KStG Rz. 6.
[2] Goverts, in Bott/Walter, KStG, § 22 KStG Rz. 1.

1.2 Normzweck

 

Rz. 5

§ 22 KStG ist als Sondervorschrift erforderlich, weil andernfalls die Grundregel des § 8 Abs. 3 Satz 1f. KStG zur Anwendung kommen würde, die Rückvergütung also nicht abziehbar wäre. Denn genossenschaftliche Rückvergütungen sind ihrem Wesen nach eine Form der Gewinnverteilung, da sie eine mitgliedschaftliche Ursache haben. Damit ist die Regelung nach der überwiegenden Meinung konstitutiv.[1] Vereinzelt wird vertreten, dass die Regelung lediglich klarstellenden Charakter haben soll, weil der Umfang (nicht der Grund) der Rückvergütung nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, sondern sich allein aus der schuldrechtlichen Beziehung von Mitglied und Genossenschaft ergibt.[2]

 

Rz. 6

Grund für den Betriebsausgabenabzug ist, dass eine Genossenschaft nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist (§ 1 Abs. 1 GenG), der von ihr im Geschäft mit den Mitgliedern erzielte Gewinn also an die Mitglieder zurückgegeben werden soll (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GenG), wobei die Gewinnverteilung nur steuerlich als Rückvergütung bezeichnet wird, das Genossenschaftsrecht kennt den Begriff nicht (Rz. 20). Aus dem mitgliedschaftlichen Förderungszweck folgt die Rechtfertigung der Sonderbehandlung als Betriebsausgabe und dementsprechend ihre höhenmäßige Einschränkung, soweit sie im Mitgliedergeschäft tatsächlich erwirtschaftet worden ist.

[1] Schmitz, in H/H/R, EStG/KStG, § 22 KStG Rz. 3; Roser, in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 22 KStG Rz. 7; Dremel, in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 22 KStG Rz. 1.
[2] Pirner, in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl. 2018, § 22 KStG Rz. 13; Schulte, in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl. 2010, § 20 KStG Rz. 7.

1.3 Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht

 

Rz. 7

Verfassungsrechtlich führt die Steuervergünstigung (Rz. 4) zu einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung, insbesondere weil Gewinnverteilungen bei den übrigen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfassten Körperschaften nicht als Betriebsausgabe abziehbar sind (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KStG). Die Ungleichbehandlung lässt sich aber mit dem Wesen der Genossenschaften (Rz. 20) rechtfertigen, was auch der BFH bereits für die Vorgängervorschrift entschieden hat.[1]

 

Rz. 8

Unionsrechtlich bisher kaum diskutiert ist die Frage, ob § 22 KStG eine unzulässige Beihilfe i. S. v. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Verneint man die Beihilfequalität, weil es sich aufgrund fehlender tatsächlicher oder rechtlicher Vergleichbarkeit nicht um eine Begünstigung "bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige" handeln soll[2], ließen sich Genossenschaften gegenüber Kapitalgesellschaften beihilferechtlich uneingeschränkt bevorteilen. Vor dem Hintergrund der wettbewerbsrelevanten Begünstigung bestimmter, häufig von Genossenschaften bewirtschafteten Bereiche (z. B. Großhandel, Banken, Wohnungsbau, Energieversorger), für die aber auch eine kapitalistisch organisierte Konkurrenz besteht, finden sich m. E. durchaus Argumente, die für eine selektive Maßnahme sprechen. Gleichwohl ist der Gedanke nicht abschließend durchdacht. Der EuGH hat für italienische Produktions- und Arbeitsgenossenschaften darauf hingewiesen, dass sich die fraglichen Genossenschaften womöglich nicht in...

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