Rz. 227
Die ertragsteuerliche Konzeption der verdeckten Einlage, nach der der Vermögenszugang bei der Körperschaft nicht steuerbar ist, kann in besonders gelagerten Fällen durchbrochen werden. Der Gesetzgeber hat dies dann als regelungsbedürftig angesehen, wenn auf der Ebene der Körperschaft eine steuerneutrale Einlage vorliegt, diese Einlage auf der Ebene des Gesellschafters aber zu einer steuerlich zu berücksichtigenden Vermögensminderung bzw. unterlassenen Vermögensmehrung geführt hat. Wenn dem Grunde nach steuerverhaftete stillen Reserven bei dem Gesellschafter nicht besteuert werden und das eingelegte Wirtschaftsgut bei der Körperschaft mit dem Teilwert als steuerneutrale Einlage aktiviert wird, wären die stillen Reserven endgültig der Besteuerung entzogen. Ein solcher Fall kann z. B. bei folgenden Gestaltungen vorkommen:
- Die Einlage kann bei dem Gesellschafter nicht oder nicht in voller Höhe auf dem Beteiligungskonto aktiviert werden, weil der Wert der Beteiligung nicht entsprechend gestiegen ist. Das kann der Fall sein, wenn der einlegende Gesellschafter nicht zu 100 % an der Körperschaft beteiligt ist und die anderen Gesellschafter keine entsprechenden Einlagen leisten. Dann kommt die Einlage anteilig auch den anderen Gesellschaftern zugute, der Beteiligungswert des einlegenden Gesellschafters ist also nicht um den Teilwert des eingelegten Gegenstands gestiegen, entsprechend kann keine Zuaktivierung erfolgen.
- Bei einem inl. Gesellschafter und einer inl. Gesellschaft können stille Reserven der Besteuerung entzogen werden, weil der Sachverhalt unterschiedlich beurteilt wird. Das ist der Fall, wenn der Sachverhalt bei der Gesellschaft als gesellschaftsrechtliche Einlage qualifiziert wird und daher eine nicht steuerbare Vermögensmehrung durch Aktivierung mit dem Teilwert erfolgt, bei dem Gesellschafter aber ein schuldrechtlicher Vorgang angenommen wird, der keine Aktivierung auf dem Beteiligungskonto auslöst oder sogar zum Betriebsausgabenabzug führt. Die Aktivierung mit dem Teilwert kann bei der Körperschaft durch Abschreibungen zu Steuerminderungen führen, obwohl es nicht zu korrespondierenden Steuermehrungen bei dem Einlegenden gekommen ist. Solche Fälle beruhen auf der unzutreffenden Anwendung des deutschen Rechts auf der Ebene der Gesellschaft oder auf der Ebene des Gesellschafters. Problematisch werden diese Fälle dann, wenn der fehlerhafte Steuerbescheid nicht mehr berichtigt werden kann. § 32a KStG enthält zwar insoweit eine Änderungsmöglichkeit, diese deckt aber nicht alle Fälle ab. Wird der fehlerhafte Bescheid nicht geändert, weil das FA den Fehler nicht bemerkt, keine Änderungsmöglichkeit eingreift oder die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, bleiben Vermögensmehrungen unbesteuert.
- Möglich sind entsprechende grenzüberschreitende Gestaltungen. Ist der einlegende Gesellschafter im Ausland ansässig, kann die Vermögenszuführung nach deutschem Recht als verdeckte Einlage, nach ausl. Recht als schuldrechtlicher Vorgang zu qualifizieren sein; die Aufdeckung der stillen Reserven im Ausland kann auch aus anderen Gründen unterbleiben. Dann entstehen ebenfalls unbesteuerte Vermögensmehrungen. Der Unterschied zur vorherigen Fallgruppe besteht allein darin, dass dieses Ergebnis nicht auf einem Fehler eines der Beteiligten oder der Finanzbehörden beruhen muss, sondern auf unterschiedliche, miteinander nicht zu vereinbarende Regelungen des jeweiligen nationalen Rechts zurückzuführen sein kann (Qualifikationskonflikte).
Rz. 228
In solchen Fällen können Vermögensmehrungen auch doppelt besteuert werden, wenn der Vorgang auf der Ebene des Gesellschafters als Einlage behandelt wird und damit Gewinnrealisierung eintritt, während auf der Ebene der Gesellschaft eine betriebliche Vermögensmehrung angenommen wird, die das Einkommen nicht mindert.
Rz. 229
Anlass für eine Regelung dieser Problematik in § 8 Abs. 3 S. 4ff. KStG war ein besonderes Problem im Rahmen des § 8a KStG a. F.
Die ausl. Muttergesellschaft A-Inc. ist an der deutschen X-GmbH, diese an der deutschen Y-GmbH beteiligt. Die Y-GmbH gibt der A-Inc. ein Darlehen, das unter § 8a KStG a. F. fällt. Die Umqualifizierung der Zinszahlungen der Mutter- an die Tochtergesellschaft in eine verdeckte Gewinnausschüttung ist nicht möglich, da die Muttergesellschaft keine Gewinnausschüttungen, auch keine verdeckten Gewinnausschüttungen, an die Tochtergesellschaft leisten kann.
Laut BMF sollte in diesen Fällen eine verdeckte Einlage der Mutter- in die Enkelgesellschaft (über die Tochtergesellschaft) vorliegen, sodass die Zinsen bei der Muttergesellschaft nicht abzugsfähig waren, während bei der Enkelgesellschaft infolge der Umqualifizierung in eine Einlage keine steuerpflichtige Vermögensmehrung eintreten sollte. War die Muttergesellschaft, wie im Beispiel, im Ausland ansässig, konnte diese Auffassung zur Doppelfreistellung führen. Der ausl. Staat qualifiziert die Zinsen weiterhin als abzugsfähige Betriebsausgaben, während die Zinsen im Inland als Ei...