Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 28
Rechtspolitisch ist § 8a sehr problematisch. An sich spricht die Vorschrift einen Problemkreis an, der regelungsbedürftig ist, weil er eine Lücke in der Angemessenheitsprüfung der Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter schließt (vgl. Rz. 2). Da mit Hilfe der Gesellschafter-Fremdfinanzierung bedeutsame Verlagerungen von Besteuerungspotenzial möglich sind, ist eine gesetzliche Regelung erforderlich. Andererseits hat es der Gesetzgeber an dem erforderlichen Augenmaß fehlen lassen. Es handelt sich um eine technokratische Lösung, die keine systematische und rechtspolitische Leitlinie erkennen lässt.
Für die Entwicklung einer rechtspolitisch tragbaren Lösung wäre zunächst die Frage zu beantworten, ob und in welchem Umfang der Steuerpflichtige gehalten sein soll, seine steuerlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass Steuern entstehen. Der Gesetzgeber hat in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG die Grundentscheidung getroffen, dass Zinseinkommen eines im Ausland Ansässigen nicht der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegt. Der Sache nach neutralisiert § 8a die Wirkung dieser Grundentscheidung zum Teil. Statt aber bei der Steuerpflicht des Empfängers anzusetzen, was systematisch richtig wäre, weicht der Gesetzgeber aus, indem er die Steuerpflicht auf den Zahlenden der Vergütungen verlagert. Damit wird die Regelung unsystematisch und widersprüchlich. Für den Zahlenden stellen die Zinsen eine Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dar, die auch der Angemessenheitsprüfung der verdeckten Gewinnausschüttung standhält (sonst wäre § 8a überflüssig, da die Korrektur bereits nach § 8 Abs. 3 erfolgen müsste). Die zu besteuernde Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt bei dem Empfänger der Zahlung, nicht bei dem Leistenden.
Der Gesetzgeber kann die Lösung nicht dort suchen, wo das Problem seine Ursache hat, nämlich bei der Ausklammerung des Zinseinkommens aus der beschränkten Steuerpflicht, weil dies den Regeln der DBA widersprechen würde. Die Verlagerung der Lösung auf den Zahlenden hat zu unsystematischen Lösungen geführt, die dem europäischen Recht nicht standgehalten haben. Das wiederum hat eine Ausweitung des Tatbestands erzwungen, der nun überwiegend Fälle umfasst, die nach dem ursprünglichen Regelungszweck nicht unter die Vorschrift fallen sollten. Es ist damit ein "Monstrum" von Vorschrift entstanden, die eine Vielzahl von Fällen – mit inländischen Anteilseignern – nur erfasst, um eine verhältnismäßig geringe Zahl von Gestaltungen, die als missbräuchlich angesehen werden, zu verhindern. Rechtspolitisch wird damit die Finanzierung von Konzernen und mittelständischen Unternehmen deutlich erschwert und eine durch Fremdkapital finanzierte Expansion behindert, z. T. unmöglich gemacht (vgl. das Beispiel in Rz. 108). Die Bundesrepublik als Standort wird damit erheblich geschädigt.
Der Grund für diese rechtspolitisch schädliche Situation liegt in der (kaum verständlichen) Tendenz des Gesetzgebers, Missbräuche mit äußerst zielungenauen und unterschiedslos weite Bereiche erfassenden Regelungen zu begegnen, statt zielgenaue Missbrauchsverhütungsvorschriften zu entwickeln (ein ähnliches Beispiel ist § 8 AStG). Der Weg spezieller Missbrauchverhütungsvorschriften würde sich auch deshalb anbieten, weil solche Vorschriften, wie die EG-Zinsrichtlinie zeigt (vgl. Rz. 27), durchaus in einer EU-verträglichen Weise geschaffen werden könnten.
Rz. 29
Systematisch, wirtschaftspolitisch und unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität ist insbesondere die Ausdehnung der Geltung des § 8a auf rückgriffsberechtigte Dritte problematisch.
Systematisch problematisch ist, dass Vergütungen an Dritte als (verdeckte) Gewinnausschüttungen behandelt werden, also Vergütungen, denen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, weder rechtlich noch wirtschaftlich, der Betriebsausgabencharakter abgesprochen werden kann. Gewinnausschüttungen können nur Zahlungen an den Anteilseigner oder ihm nahe stehende Personen sein; systematisch lässt sich daher die Behandlung von Vergütungen an unabhängige Dritte als Gewinnausschüttungen nicht rechtfertigen. Ein systematischer Bruch liegt auch darin, dass die Einbeziehung von Vergütungen an Dritte davon abhängt, dass der Dritte ein Rückgriffsrecht auf den Anteilseigner hat. Das Rückgriffsrecht bezieht sich auf das Kapital, umqualifiziert werden aber die Vergütungen. Die Vergütungen wiederum haben mit dem Rückgriffsrecht auf das Kapital nichts zu tun. Es mag sein, dass bei Realisierung des Rückgriffs das Kapital letztlich von dem Anteilseigner zur Verfügung gestellt wird, obwohl es bedenklich ist, alle Fälle aus dem Gesichtswinkel des abnormen Falles der Illiquidität des Darlehensnehmers zu sehen. Die Vergütungen werden aber auch in diesem Fall an den Dritten, nicht an den Anteilseigner gezahlt, es besteht also kein Anlass, die Vergütungen, die anders als in den übrigen Fällen des § 8a nicht an den Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Person gelangen, umzuqualifizieren. Es entsteh...