Rz. 129

Infolge der Steuerfreistellung nach Abs. 1 S. 1 hat das durch die DBA ab einer bestimmten Beteiligungshöhe (regelmäßig 25 %) und u. U. bei Erfüllung einer Aktivitätsklausel eingeräumte "internationale Schachtelprivileg" seine Bedeutung weitgehend verloren, da Abs. 1 S. 1 die Steuerfreistellung – solange keine Streubesitzbeteiligung i. S. v. Abs. 4 von weniger als 10 % vorliegt – ohne Rücksicht auf die Beteiligungshöhe gewährt. Das gilt jedoch nicht, wenn Abs. 1 S. 1 nach Abs. 1 S. 2 nicht greift, also keine Steuerfreistellung bei dem Gesellschafter eintritt, weil die Gewinnausschüttung das Einkommen der ausschüttenden Gesellschaft vermindert hat. Dann wäre die Auskehrung bei dem Gesellschafter nach Abs. 1 S. 2 zwar steuerpflichtig, diese Steuerpflicht würde aber durch die Regelung des internationalen Schachtelprivilegs in dem jeweiligen DBA verdrängt.

 

Rz. 130

Abs. 1 S. 4 enthält daher eine dem S. 2 korrespondierende Regelung für das internationale Schachtelprivileg. Danach tritt die Steuerfreistellung durch das jeweilige DBA nicht ein, wenn der Tatbestand des S. 2 vorliegt. Dies gilt ungeachtet der Regelungen des DBA; die Vorschrift enthält also ein "treaty override", durch das die Regelungen des DBA durch eine unilaterale gesetzliche Regelung verdrängt werden. Dies ist trotz § 2 AO möglich, da ein DBA nach Transformation durch innerstaatliches Recht nur die Wirkungen eines einfachen Gesetzes hat, also auch durch ein spezielleres Gesetz verdrängt werden kann. § 2 AO, der selbst ein einfaches Gesetz ist, kann den DBA keinen höheren Rang als den eines einfachen Gesetzes zuerkennen.[1]

 

Rz. 131

Eine dem S. 4 entsprechende Regelung ist bereits in einigen neueren DBA enthalten[2], in den meisten DBA jedoch nicht. Soweit eine entsprechende Regelung in einem DBA bereits enthalten ist, gilt das DBA; S. 4 findet keine Anwendung. S. 4 entfaltet daher Wirkung in den Fällen, in denen die Gewährung des internationalen Schachtelprivilegs nicht von einer dem S. 4 entsprechenden Voraussetzung abhängig gemacht worden ist.

 

Rz. 132

Das internationale Schachtelprivileg gilt nach S. 4 nicht in den Fällen, die dem des S. 2 entsprechen.[3] Es muss sich also um einen Vorgang handeln, der einer verdeckten Gewinnausschüttung vergleichbar ist, oder um einen Qualifikationskonflikt, d. h., um eine Situation, in der der Staat der auskehrenden Gesellschaft den Abzug als Betriebsausgabe zulässt, aus deutscher Sicht aber eine Dividende gezahlt wird, die nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig wäre. Maßgebend ist bei einer verdeckten Gewinnausschüttung, dass der ausl. Staat, würde er den Sachverhalt kennen, zu einer Korrektur kommen würde. Nicht entscheidend ist dabei, welche Technik für diese Korrektur anzuwenden wäre. Es muss sich also, trotz des Verweises auf § 8 Abs. 3 S. 2 KStG, technisch nicht um eine verdeckte Gewinnausschüttung handeln, sondern z. B. um eine Korrektur einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung.[4]

 

Rz. 133

Nicht erfasst werden Fälle, in denen der ausl. Staat bestimmte Gewinne der Körperschaft aus anderen Gründen steuerfrei belässt und die Körperschaft hieraus eine offene Auskehrung vornimmt. Es handelt sich bei S. 4 also nicht um eine allgemeine "subject-to-tax-Klausel", sondern um eine spezifische Regelung, die den Fall behandelt, dass ein bestimmter Vorgang bei der auskehrenden Körperschaft als schuldrechtliches Verhältnis, das zum Betriebsausgabenabzug der Zahlung berechtigt, und nicht als gesellschaftsrechtliche Beziehung, die zu einer steuerfreien Ausschüttung aus versteuertem Gewinn führt, qualifiziert wird. Es wird also ein besonderer Fall eines Qualifikationskonflikts geregelt.

 

Rz. 134

Erhebt der Staat der auskehrenden Gesellschaft eine Quellensteuer auf die Auskehrung (was selten der Fall sein wird, aber bei einer Qualifizierung der Leistungen durch den ausl. Staat als Zinsen oder Lizenzeinkünfte möglich ist), ist diese auf die deutsche Steuer anrechenbar. Dies bestimmt § 26 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 KStG ausdrücklich. Die ausl. Steuer kann stattdessen auch von der Bemessungsgrundlage, d. h. von der verdeckten Gewinnausschüttung, abgezogen werden.[5]

[3] Ebenso Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 514.
[4] Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648, 1650.

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