Rz. 187

Die Norm setzt eine Umwandlung mit steuerlicher Rückwirkung voraus ("infolge der Anwendung der Absätze 1 und 2"). Der Anwendungsbereich erstreckt sich folglich auf die – unter § 2 Abs. 1 und 2 UmwStG fallenden – Verschmelzungen und Spaltungen von Körperschaften nach den §§ 319 UmwStG. Ferner findet § 2 Abs. 5 UmwStG aufgrund entsprechender Verweise in § 9 S. 3 UmwStG (ggf. i. V. m. § 25 S. 2 UmwStG) auf den rückwirkenden Formwechsel Anwendung nach § 9 UmwStG oder § 25 UmwStG. Dasselbe gilt für die rückwirkende Einbringung aufgrund der Verweise in § 20 Abs. 6 S. 4 UmwStG (ggf. i. V. m. § 24 Abs. 4 UmwStG) nach §§ 20, 24 UmwStG.

 

Rz. 188

§ 2 Abs. 5 und § 2 Abs. 4 S. 1, 2 UmwStG sind voneinander abzugrenzen. Der wesentliche Unterschied zwischen § 2 Abs. 4 S. 1, 2 UmwStG und § 2 Abs. 5 UmwStG ist, dass § 2 Abs. 4 S. 1, 2 UmwStG nur Fälle erfasst, in denen der Verlust im Rückwirkungszeitraum bereits entstanden ist und die Verlustverrechnung ohne den steuerlichen Rückbezug wegen § 8c KStG nicht möglich gewesen wäre.[1] § 2 Abs. 4 S. 3ff. UmwStG schließen den Ausgleich oder die Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers aus. Eventuelle stille Lasten des übergehenden Vermögens werden von der Vorschrift von vornherein nicht erfasst.[2]

 

Rz. 189

§ 2 Abs. 5 S. 1 UmwStG findet Anwendung "unbeschadet anderer Vorschriften". Die Norm kann demnach auch Anwendung finden, wenn § 42 AO und ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten tatbestandlich nicht einschlägig ist.[3] Allerdings entfalten tatbestandlich nicht erfüllte Spezialvorschriften bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Gestaltung einen Wertungsrückschlag[4], den auch der BFH[5] anerkennt.

 

Rz. 190

§ 2 Abs. 5 UmwStG ist nach § 27 Abs. 16 S. 1 UmwStG erstmals auf Umwandlungen und Einbringungen anzuwenden, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das für die Wirksamkeit des Vorgangs maßgebende öffentliche Register bzw. bei Einbringungen der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem 20.11.2020 erfolgt. Es handelt es sich dabei um eine verfassungswidrige rückwirkende Inkraftsetzung einer belastenden Steuernorm.[6] Eine Rechtfertigung für diese echte Rückanknüpfung ergibt sich nicht schon daraus, dass der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste.[7] Zwar trat die Regelung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Referentenentwurfs in Kraft; durch das rückwirkende Inkrafttreten sollte wohl verhindert werden, dass Stpfl. durch die Veröffentlichung des Referentenentwurfs zu den entsprechenden Gestaltungen animiert werden.[8] Allein die Aussicht auf eine gesetzliche Neuregelung genügt indessen nicht[9], den Grundsatz zu durchbrechen, dass die rückwirkende Inkraftsetzung belastender Steuernormen generell unzulässig ist.[10] Referentenentwürfe werden üblicherweise noch mehrfach inhaltlich geändert, sodass aus ihrem Inhalt keine Rechtfertigung für den Verlust des Vertrauens des Stpfl. auf eine bestimmte Rechtslage abgeleitet werden kann. Zwar ist das generelle Verbot der Rückanknüpfung durch den Vorbehalt eingeschränkt, der Einzelne könne sich nur dann auf den Schutz seines Vertrauens berufen, wenn sein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich gerechtfertigt und aus diesem Grunde schutzwürdig sei.[11] Es kommt damit letztlich auf eine Abwägung im Einzelfall an, bei der das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit gegenübergestellt werden soll.[12] Bei der so vorgegebenen Anwendung der Allgemeinformel bleibt das Interesse des Einzelnen im Regelfall auf der Strecke.[13] Aufgrund des Widerspruchs zu allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen (Subjektsteuerprinzip, Prinzip nach der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit, Zweck des UmwStG)[14], waren die Gestaltungen, welche von § 2 Abs. 5 UmwStG erfasst werden, zwar auch vor Inkrafttreten der Norm strittig[15], dies allein kann indessen nicht dazu führen, dass die Abwägung zuungunsten des Einzelnen ausfallen muss.

 

Rz. 191

§ 27 Abs. 16 S. 2 UmwStG erweitert den zeitlichen Anwendungsbereich auch auf andere offene Fälle, in denen die äußeren Umstände darauf schließen lassen, dass die Verrechnung übergehender stiller Lasten wesentlicher Zweck der Umwandlung oder Einbringung war und der Stpfl. dies nicht widerlegen kann. Im Vergleich zu § 2 Abs. 5 S. 6 UmwStG, der die Anwendung des § 2 Abs. 5 S. 1 bis S. 5 UmwStG ausschließt, wenn die Verrechnung negativer Einkünfte weder Haupt- noch Nebenzweck war, erfordert die Ausdehnung des zeitlichen Anwendungsbereichs, dass die Verrechnung übergehender stiller Lasten nicht wesentlicher Zweck der Umwandlung war. Wie dieser Nachweis durch den Stpfl. zu führen ist, ist unklar. Es handelt sich bei § 27 Abs. 16 S. 2 UmwStG um eine verfassungswidrige echte Rückanknüpfung,...

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