4.3.1 Überblick über das Bewertungswahlrecht
Rz. 194
Die übernehmende Gesellschaft darf das eingebrachte Betriebsvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG ausnahmsweise mit seinem Buchwert oder einem Zwischenwert ansetzen, sofern die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Zu den Voraussetzungen gehören die in § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 3 UmwStG genannten materiellen "Buchwertvoraussetzungen" sowie auch die Antragstellung als formaler Akt.
Rz. 195
Mit der Ausübung ihres Wahlrechts entscheidet die übernehmende Gesellschaft nicht nur über ihr künftiges AfA-Volumen, sondern zugleich auch über die Steuerfolgen auf der Ebene des Einbringenden. Der von ihr gewählte Wert gilt nach § 20 Abs. 3 UmwStG für den Einbringenden als Veräußerungspreis für das eingebrachte Betriebsvermögen und als Anschaffungskosten der ihm gewährten Gesellschaftsanteile. Ein Wertansatz oberhalb des Buchwerts führt zu einem Einbringungsgewinn, der von dem Einbringenden zu versteuern ist.
Rz. 196
Zudem ist die Bewertung des eingebrachten Betriebsvermögens nach § 23 Abs. 1, 3 und 4 UmwStG auch maßgeblich für die Frage, ob die übernehmende Gesellschaft Bewertungswahlrechte, Abschreibungsmethoden und Besitzzeitanrechnungen fortführen kann.
Rz. 197
Wählt die übernehmende Gesellschaft den Buchwert oder einen Zwischenwert so wird ein Teil der in dem eingebrachten Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven nicht aufgedeckt. Die im eingebrachten Betriebsvermögen enthaltenen und nicht aufgedeckten stillen Reserven werden fortan durch die dem Einbringenden gewährten neuen Anteile repräsentiert. Bei einer Veräußerung dieser neuen Anteile sind die besonderen Steuerfolgen des § 22 UmwStG zu beachten.
Rz. 198
Ein Zwischenwertansatz kann sich empfehlen, um beim Einbringenden einen noch vorhandenen Verlustvortrag i. S. d. § 10d EStG oder einen Zinsvortrag i. S. d. § 4h EStG zu nutzen, der im Zuge der Einbringung sonst verloren ginge. Ebenso wenig wie ein Verlustvortrag gehen auch verrechenbare Verluste i. S. von § 15a EStG auf die übernehmende Gesellschaft über.
Rz. 199
Die übernehmende Gesellschaft hat jeweils ein gesondertes Bewertungswahlrecht, das sie unterschiedlich für jeden einzelnen Sacheinlagegegenstand ausüben kann, wenn mehrere Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile eingebracht werden.
4.3.2 Materielle Voraussetzungen des Bewertungswahlrechts
4.3.2.1 Voraussetzungen und Rückausnahmen
Rz. 200
Alle tatbestandlichen Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Soweit die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der gemeine Wert anzusetzen ist.
Rz. 201
Zusätzlich sind die Rückausnahmen bei der Gewährung auch anderer Wirtschaftsgüter, bei erstmaliger Begründung des deutschen Besteuerungsrechts, bei faktischer Unmöglichkeit einer Antragstellung und beim Fehlen eines bisherigen Buchwerts zu beachten.
4.3.2.2 Körperschaftsteuerpflicht der übernehmenden Gesellschaft
Rz. 202
Eine spätere Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens muss bei der übernehmenden Gesellschaft der KSt unterliegen; es kann sich dabei auch um eine der deutschen Körperschaftsteuer vergleichbare ausländische Steuer handeln.
Rz. 203
Es muss sich mithin um eine Gesellschaft i. S. d. § 1 oder 2 KStG handeln, die nicht von der KSt befreit ist. Allerdings kann die übernehmende Gesellschaft auch eine von der KSt befreite Gesellschaft sein, wenn die empfangene Sacheinlage in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verwendet wird.
Rz. 204
Eine Steuerbefreiung, z. B. aufgrund des § 8b KStG, ist unschädlich.
Rz. 204a
Handelt es sich bei der übernehmenden Gesellschaft um eine Organgesellschaft, soll die Voraussetzung der KSt-Pflicht nach bisheriger bzw. noch bestehender Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich nur dann erfüllt sein, wenn das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Besteuerung mit KSt unterliegt. Falls das dem Organträger zuzurechnende Einkommen lediglich der ESt unterliegt, sollen die übergehenden Wirtschaftsgüter nur aus Billigkeitsgründen mit dem Buch- oder einem Zwischenwert angesetzt werden können, vorausgesetzt, alle an der Einbringung Beteiligten erklären sich übereinstimmend schriftlich damit einverstanden, dass auf die aus der Einbringung resultierenden Mehrabführungen § 14 Abs. 3 S. 1 KStG anzuwenden ist. Auch wenn der dadurch zum Ausdruck kommende Versuch der Finanzverwaltung, die Besteuerung von stillen Reserven mit ESt sicherzustellen, nachvollziehbar ist, so stößt diese Vorgehensweise doch auf erhebliche rechtsstaatliche Bedenken.
Der UmwStE-E lässt die Aussagen zur Billigkeitsregelung bei Umwandlung auf eine Organgesellschaft nun entfallen und verweist auf die Ausführungen im Rahmen der Verschmelzung.