Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 2
Der persönliche Anwendungsbereich ergibt sich aus § 1 Abs. 1, 2. Erfasst werden nur Vermögensübertragungen von einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft. Das lässt sich aus der Struktur der §§ 1ff. ableiten. Nach § 1 Abs. 1 gelten der zweite bis siebente Teil des UmwStG, und damit auch die Verschmelzungsregelungen der §§ 11ff., nur für übertragende Körperschaften, d. h. für Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, eingetragene Vereine, wirtschaftliche Vereine, genossenschaftliche Prüfungsverbände, VVaG, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. In der Überschrift des Dritten Teils (Verschmelzung) und der des § 12 wird dies dahin konkretisiert, dass auch der übernehmende Rechtsträger eine Körperschaft sein muss. Umwandlungsvorgänge, bei denen der übertragende oder der übernehmende Rechtsträger keine Körperschaft ist, fallen damit nicht unter die §§ 11ff. (zur Frage, welche Rechtsformen im Einzelnen als übertragende und als übernehmende Körperschaft beteiligt sein können, vgl. § 1 Rz. 18).
Rz. 3
Außerdem sind die §§ 11ff. nur auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften anzuwenden, also auf inländische Körperschaften (vgl. § 1 Rz. 5). Eine Rechtsgrundlage für grenzüberschreitende Verschmelzungen fehlt gegenwärtig sowohl zivil- als auch steuerrechtlich. Möglich sind nur Hilfskonstruktionen, die von der Einzelrechtsnachfolge ausgehen. In gewissem Umfang lassen sich dabei steuerpflichtige Gewinnrealisierungen vermeiden, wenn die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Einbringungen nach den §§ 20, 23 genutzt werden (vgl. zu grenzüberschreitenden Umwandlungen Einf. Vor § 1 Rz. 21).
Die Verschmelzung ist zulässig, wenn die übertragende und/oder die übernehmende Körperschaft zwar unbeschränkt steuerpflichtig, aber von der Körperschaftsteuer befreit ist. In Frage steht dann nur, ob die Verschmelzung gewinnneutral durchgeführt werden kann (vgl. Rz. 32).
Rz. 4
Zum sachlichen Anwendungsbereich bestimmt § 1 Abs. 2 UmwStG, dass die §§ 11ff. für die Verschmelzung i. S. d. § 2 UmwG sowie für die Vermögensübertragung i. S. d. § 174 Abs. 1 UmwG (Vollübertragung) gelten. Voraussetzung ist, dass eine handelsrechtlich wirksame Verschmelzung oder Vermögensübertragung vorliegt. Ob das der Fall ist, richtet sich nach den handelsrechtlichen Vorschriften (vgl. § 1 Rz. 12).
Rz. 5
Ausgeschlossen vom Geltungsbereich der steuerlichen Vorschriften ist die Teilübertragung. Steuerlich soll die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände nicht begünstigt werden, da sonst in zu großem Umfang „normale” Gewinnrealisierungen vermieden werden könnten (zur handelsrechtlichen Regelung vgl. Rz. 9ff.).
Rz. 6
Die Vorschrift enthält keine Beteiligungsvoraussetzungen. Die Verschmelzung erfordert daher nicht, dass die übernehmende Körperschaft an der übertragenden Körperschaft beteiligt ist. Daher sind alle Kombinationen von Beteiligungsverhältnissen denkbar. Die Verschmelzung ist daher in folgenden Fällen zulässig:
- Die übernehmende Körperschaft ist nicht an der übertragenden Gesellschaft beteiligt.
- Eine Sonderform der fehlenden Beteiligung der übernehmenden Körperschaft liegt vor bei der Verschmelzung von Schwestergesellschaften, bei denen eine gemeinsame Muttergesellschaft vorhanden ist („sidestream merger”, vgl. Rz. 17).
- Die übernehmende Körperschaft ist an der übertragenden Körperschaft beteiligt („upstream merger”). Die Beteiligung kann eine 100%ige Beteiligung, eine Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligung sein.
- Die übertragende Körperschaft ist an der übernehmenden Körperschaft beteiligt.
Rz. 7
Anzuwenden sind die §§ 11ff. damit auch auf die Verschmelzung der Mutter- auf die Tochtergesellschaft. Der dort vom BMF vertretenen Ansicht, es handle sich um eine entsprechende Anwendung der §§ 11ff., die einen Antrag aller Beteiligten voraussetze, ist jedoch nicht zu folgen. Die Anwendung der §§ 11ff. auf Fälle des „downstream merger” ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und setzt daher keinen Antrag voraus. Die Verschmelzung erfordert nicht, dass die übernehmende Körperschaft an der übertragenden Körperschaft beteiligt ist. Wie sich aus § 68 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 UmwG ergibt, schadet es auch nicht, wenn die übertragende Körperschaft Anteile an der übernehmenden Körperschaft besitzt. Die Anteile, die die übertragende Körperschaft an der übernehmenden Körperschaft hält, werden bei dieser durch die Verschmelzung zu eigenen Anteilen; sie bleiben also, wie alle anderen Vermögensgegenstände auch, steuerlich gebunden, wenn sie dies bei der übertragenden Körperschaft waren (z. B. nach § 8b Abs. 4 KStG); im Übrigen können die Anteile ohnehin nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei veräußert werden (vgl. Rz. 31). Diese eigenen Anteile können zur Abfindung der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft genutzt werden.