Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 59
Bei Gewinnausschüttungen der übertragenden Körperschaft im zeitlichen Zusammenhang mit der Verschmelzung ist die von der steuerlichen Regelung (Rückwirkung auf den steuerlichen Übertragungszeitpunkt) abweichende handelsrechtliche Regelung (keine Rückwirkung) zu beachten. Handelsrechtlich kann die übertragende Körperschaft bis zu ihrem Erlöschen, d. h. bis zur Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister, Gewinne an ihre Anteilseigner ausschütten. Bei der steuerlichen Behandlung dieser Gewinnausschüttungen ist aber zu unterscheiden:
- Für die übertragende Körperschaft wirkt die Verschmelzung steuerlich bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag; ab diesem Zeitpunkt sind daher Ausschüttungen mit steuerlicher Wirkung an die übernehmende Körperschaft nicht mehr möglich.
- Für ausscheidende Anteilseigner gilt die Rückwirkung jedoch nicht; für sie sind in der Zeit zwischen steuerlichem Übertragungszeitpunkt und Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister Gewinnausschüttungen auch mit steuerlicher Wirkung möglich.
Rz. 60
Werden verdeckte Gewinnausschüttungen vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag vorgenommen, bestehen keine Besonderheiten. Die Ausschüttung kann zu Körperschaftsteuererminderungen nach § 37 KStG oder zu Körperschaftsteuererhöhungen nach § 38 KStG bei der ausschüttenden, übertragenden Körperschaft führen. Das Körperschaftsteuerguthaben bzw. der Betrag des ehemaligen EK 02 des letzten Wirtschaftsjahres der ausschüttenden Körperschaft mindern sich entsprechend. Das ist das letzte (Rumpf-) Wirtschaftsjahr, das mit dem steuerlichen Übertragungsstichtag endet. Auf die übernehmende Körperschaft wird nur das verringerte Körperschaftsteuerguthaben bzw. nur das verringerte ehemalige EK 02 nach § 40 Abs. 1 KStG übertragen.
Entsprechendes gilt, wenn für die Ausschüttung Beträge des steuerlichen Einlagekontos der übertragenden Körperschaft verwendet worden sind.
Rz. 61
Bei Vorgängen nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag, aber vor der Eintragung in das Handelsregister ist zu unterscheiden. Offene und verdeckte Gewinnausschüttungen, die in diesem Zeitraum beschlossen bzw. an die übernehmende Körperschaft vorgenommen werden, werden steuerlich nicht als Ausschüttungen behandelt, da die übertragende Körperschaft steuerlich bereits als nicht mehr existent behandelt wird. Der Sache nach handelt es sich um eine besondere Übertragung von Vermögen auf die übernehmende Körperschaft, die aber steuerlich als im Zuge der Verschmelzung erfolgend behandelt wird; es handelt sich also um einen internen Vorgang ohne steuerliche Wirkung.
Anders ist es dagegen, wenn die offene oder verdeckte Gewinnausschüttung an einen anderen Anteilseigner als die übernehmende Körperschaft fließt. Für die Behandlung dieser Anteilseigner gilt die übertragende Körperschaft auch steuerlich als noch existent; die Gewinnausschüttung ist also nach den allgemeinen Vorschriften abzuwickeln. Es sind Körperschaftsteuerminderungen bei der übertragenden Körperschaft nach § 27 KStG und Körperschaftsteuererhöhungen nach § 38 KStG zu verrechnen; die entsprechenden, auf die übernehmende Körperschaft nach § 40 Abs. 1 KStG zu übertragenden Bestände verringern sich demgemäß. Im Ergebnis gilt daher die gleiche Rechtslage wie in Rz. 60.