Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 21
Hält die übernehmende Körperschaft Anteile an der übertragenden Körperschaft, werden insoweit keine Anteile an der übernehmenden Körperschaft als Gegenleistung gewährt, da die übernehmende Körperschaft auch im Zuge der Verschmelzung keine eigenen Anteile erwerben darf (vgl. § 11 Rz. 15). Aus der Übernahme der Wirtschaftsgüter folgt somit insoweit ein Vermögenszugang ohne Gegenleistung in Form der Gewährung von Gesellschaftsrechten. Gleichzeitig vermindert sich das Betriebsvermögen durch den Wegfall der Anteile an der übertragenden Körperschaft. In Höhe des Buchwertes der wegfallenden Anteile erleidet die übernehmende Körperschaft eine Vermögensminderung. Aus diesen beiden Vorgängen ergibt sich der Übernahmegewinn oder -verlust. Sind die anzusetzenden Werte der übernommenen Wirtschaftsgüter höher als der Buchwert der wegfallenden Anteile, entsteht ein Übernahmegewinn; sind diese Werte niedriger als der Buchwert der Anteile, entsteht ein Übernahmeverlust. Übernahmegewinn oder -verlust entstehen nur dann nicht, wenn die anzusetzenden Werte der übernommenen Wirtschaftsgüter zufällig mit dem Buchwert der wegfallenden Anteile identisch sind.
Rz. 22
Wirtschaftlich kann ein Übernahmeverlust zwei verschiedene Ursachen haben. Ist das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers zu Teilwerten übertragen worden, ist der Übernahmeverlust eine tatsächliche Vermögensminderung, die eine sonst erforderliche Teilwertabschreibung der Beteiligung an dem übertragenden Rechtsträger ersetzt. Dieser Teil des Übernahmeverlustes ist durch eine Teilwertabschreibung unmittelbar vor der Übernahme des Vermögens in der „fiktiven” Steuerbilanz (vgl. Rz. 4) zu berücksichtigen. Es handelt sich um einen laufenden Verlust, der jedoch, ebenso wie der Übernahmeverlust, nach § 8b Abs. 3 S. 3 KStG einem Abzugsverbot unterliegt. Vor In-Kraft-Treten des § 8b Abs. 3 S. 3 KStG war der Verlust aus der (fiktiven) Teilwertabschreibung steuerlich absetzbar.
Ist das übertragene Vermögen nicht mit den Teilwerten bewertet worden, stellt der Übernahmeverlust insoweit nur einen Buchverlust dar (Bildung stiller Reserven) und ist steuerlich nicht abzugsfähig, da er die Leistungsfähigkeit nicht mindert.
Rz. 23
Ist die übernehmende Körperschaft an der übertragenden Körperschaft nicht beteiligt, was bei der Verschmelzung durch Neugründung immer der Fall ist, aber auch bei der Verschmelzung durch Aufnahme möglich sein kann, entsteht kein Übernahmegewinn bzw. -verlust. Als Gegenleistung für die Übertragung der Wirtschaftsgüter im Wege der Verschmelzung werden dann Anteile an der übernehmenden Körperschaft geleistet; es kann nur ein Agiogewinn (vgl. Rz. 19) entstehen.
Rz. 24
Der Stichtag, auf den der Übernahmegewinn oder -verlust zu ermitteln ist, ist der steuerliche Übertragungsstichtag (vgl. § 2 Rz. 2). Auf diesen Stichtag sind die übergegangenen Wirtschaftsgüter und die wegfallenden Anteile zu bewerten; die Regelung korrespondiert damit mit dem Bewertungszeitpunkt für die Ermittlung des Übertragungsgewinns bei der übertragenden Körperschaft.
Rz. 25
Die Höhe des Übernahmegewinns oder -verlusts ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der für die übernommenen Wirtschaftsgüter anzusetzenden Werte und des Buchwerts der wegfallenden Anteile. Die für die übernommenen Wirtschaftsgüter anzusetzenden Werte ergeben sich aus der Verschmelzungsbilanz der übertragenden Körperschaft, die wegen der Wertverknüpfung aus der Übertragungsbilanz unverändert in die Buchführung der übernehmenden Körperschaft eingehen (Einzelheiten zu diesen Werten vgl. § 11 Rz. 20ff.). Diese Werte sind bei der Ermittlung von Übernahmegewinn und -verlust anzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Werte sich aus den ursprünglichen Buchwerten, den Teilwerten oder Zwischenwerten ergeben.
Rz. 26
Für den Buchwert der wegfallenden Anteile verweist § 12 Abs. 2 S. 1 auf § 4 Abs. 4 S. 2. Danach ist der bei der Ermittlung des Übernahmegewinns bzw. -verlusts anzusetzende Buchwert der wegfallenden Anteile derjenige Wert, mit dem die Anteile nach den steuerrechtlichen Vorschriften in einer auf den steuerlichen Übertragungsstichtag aufzustellenden Steuerbilanz anzusetzen wären. Der Buchwert der wegfallenden Anteile ist also auf den Übertragungsstichtag zu ermitteln. Da auf diesen Stichtag von der übernehmenden Körperschaft regelmäßig keine Bilanz aufzustellen ist (vgl. Rz. 4), ist der Wert der Anteile in einer „fiktiven Steuerbilanz” zu ermitteln. Es sind also alle bilanziell zu berücksichtigenden Wertveränderungen der Anteile zwischen dem letzten Bilanzstichtag und dem Übertragungsstichtag zu erfassen; dauernde Wertminderungen erfordern Teilwertabschreibungen, nachträgliche Anschaffungskosten sind zu aktivieren. Da nach § 12 Abs. 4 auch § 5 Abs. 1 entsprechend gilt, gehören Aufwendungen zum Erwerb von Anteilen an dem übertragenden Rechtsträger nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag (vgl. Rz. 84) zu den Anschaffungskosten. Diese Aufwendungen sind also in der „fiktiven Steuerbilanz” auf den steuerlichen Übert...