Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 14
Abs. 2 regelt die Folgen, wenn die Anteile an der übertragenden Körperschaft nicht zum Betriebsvermögen, sondern zum Privatvermögen gehören, aber steuerverstrickt sind.
Abs. 2 bezieht sich auf Abs. 1, obwohl Abs. 1 nicht ausdrücklich in Bezug genommen wird. Abs. 2 regelt aber nur, dass an die Stelle des Buchwertes die Anschaffungskosten treten. Diese Regelung hat nur Sinn, wenn die übrigen Regeln des Abs. 1, also die fiktive Veräußerung und die fiktive Anschaffung, auch für Anteile nach Abs. 2 gelten.
Das UmwStG enthält keine Regelung für den Fall, dass die Anteile zu einem Privatvermögen gehören, aber keine Steuerverstrickung nach den §§ 17, 23 EStG besteht. Eine Regelung für diese Fälle ist auch überflüssig, da der Tausch der Anteile an der übertragenden Körperschaft gegen Anteile an der übernehmenden Körperschaft bzw. der Wegfall der Anteile an der übertragenden Körperschaft gegen Geld oder Sachwert keine steuerlichen Auswirkungen hat.
Die Steuerverstrickung kann bestehen, wenn die Voraussetzungen des § 17 EStG (wesentliche Beteiligung) oder die des § 23 EStG (Spekulationsgewinn) vorliegen. Ist der Anteilsinhaber beschränkt steuerpflichtig, tritt die Steuerverstrickung nur ein, wenn die Veräußerung der Anteile an der übertragenden Körperschaft nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e, Nr. 8 EStG der deutschen Besteuerung unterliegt.
Rz. 15
Als Rechtsfolge bestimmt Abs. 2 unter Anknüpfung an Abs. 1, dass die Anteile an der übernehmenden Körperschaft mit den Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Körperschaft zu bewerten sind. An die Stelle der Buchwertverknüpfung bei Anteilen in einem Betriebsvermögen tritt also bei Anteilen im Privatvermögen die Anschaffungswertverknüpfung. Eine Buchwertverknüpfung ist nach der Natur der Sache nicht möglich, da Anteile im Privatvermögen keinen Buchwert haben.
Der steuerliche Effekt der Anteilswertverknüpfung ist der gleiche wie bei der Buchwertverknüpfung. In den Anteilen ruhende stille Reserven werden auf die Anteile an der übernehmenden Körperschaft übertragen. Der Austausch der Anteile an der übertragenden Körperschaft gegen Anteile an der übernehmenden Körperschaft erfolgt ohne Aufdeckung der stillen Reserven und ist daher steuerneutral.
Auch bei nach den §§ 17, 23 EStG steuerverstrickten Anteilen ist zu berücksichtigen, dass die Anteile an der übernehmenden Körperschaft (fiktiv) erworben worden sind; sie treten also, abgesehen von der Steuerverstrickung, nicht in vollem Umfang in die Stellung der untergehenden Anteile ein. Im Rahmen des § 17 EStG laufende Fristen beginnen also neu. Auch die Spekulationsfrist nach § 23 EStG beginnt mit dem Anschaffungszeitpunkt neu zu laufen.
Rz. 16
Weiter bestimmt Abs. 2 für den Fall, dass die Anteile an der übertragenden Körperschaft nach § 17 EStG steuerverstrickt waren, dass die im Zuge der Verschmelzung gewährten Anteile an der übernehmenden Körperschaft als solche im Sinne des § 17 EStG gelten. Das gilt auch dann, wenn die Anteile keine wesentliche Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft bilden. Abs. 2 S. 2 führt also zu einer fiktiven Erweiterung des Begriffs der wesentlichen Beteiligung i. S. d. § 17 EStG. Dies ist die notwendige Folge der Anschaffungswertverknüpfung und der damit unterbliebenen Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven in den untergehenden Anteilen. Es muss sichergestellt werden, dass die Anteile, und damit die übertragenen stillen Reserven, steuerverhaftet bleiben. Es gehen also nicht nur die stillen Reserven von den untergehenden Anteilen an der übertragenden Körperschaft auf die erworbenen Anteile der übernehmenden Körperschaft über, sondern gleichzeitig setzt sich auch die Steuerverstrickung nach § 17 EStG an den erworbenen Anteilen fort. Die durch die Verschmelzung neu erworbenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft unterliegen daher § 17 EStG, auch wenn sie selbst keine wesentliche Beteiligung mehr bilden.
Die Beteiligung verliert erst dann den Charakter als wesentliche Beteiligung, wenn sie auch bei Zugrundelegung der Verhältnisse der übertragenden Körperschaft unter die Grenze von mehr als 1 % sinken würde.
Nachteilig an dieser Regelung ist, dass nicht nur die bei Verschmelzung auf die Anteile an der übernehmenden Körperschaft übertragenen stillen Reserven der Steuerverstrickung unterliegen, sondern auch nach der Verschmelzung neu gebildete stille Reserven. Bildeten die Anteile an der übertragenden Körperschaft, nicht aber die an der übernehmenden Körperschaft eine wesentliche Beteiligung, werden die Anteile an der übernehmenden Körperschaft auch hinsichtlich der erst später entstehenden stillen Reserven steuerverstrickt. In solchen Fällen wäre es sinnvoll, die Anteile zum Zeitpunkt der Verschmelzung steuerlich zu entstricken, d. h. die stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern, um die später gebildeten stillen Reserven aus der Besteuerung herauszuhalten. Das Gesetz sieht für eine solche freiwillige Versteuerung aber keine Möglichkeit vor; die Anschaffungswertverknüpfung ...