Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 6
Abs. 1 behandelt den Fall, dass die Anteile an einer übertragenden Körperschaft zu einem Betriebsvermögen gehörten und als Surrogat für die untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft Anteile an der übernehmenden Körperschaft gewährt werden. Bei diesen Anteilen kann es sich um neue Anteile aus einer Kapitalerhöhung der übernehmenden Körperschaft handeln, um eigene Anteile, die die übernehmende Körperschaft gehalten hat, oder um Anteile an der übernehmenden Körperschaft, die die übertragende Körperschaft gehalten hat, und die als Ausgleich für den Wegfall der Anteile an der übertragenden Körperschaft durch die Verschmelzung auf die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft übertragen wurden („downstream merger”).
Rz. 7
Abs. 1 besagt für diese Fälle, dass die Anteile an der übertragenden Körperschaft als mit dem Buchwert veräußert gelten. Diese Regelung ist eine Fiktion, da die Anteile tatsächlich nicht veräußert worden sind. Sie gehen mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister unter, werden also nicht „veräußert”. Auch ein Tausch liegt im strengen Sinne nicht vor, da nicht Anteil gegen Anteil getauscht wird.
Abs. 1 ist auch anwendbar, wenn die Anteile bei unbeschränkter Steuerpflicht des Anteilsinhabers zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehören und mit dem ausländischen Staat kein DBA abgeschlossen worden ist. Dann unterliegen die Wirtschaftsgüter der ausländischen Betriebsstätte der deutschen Besteuerung, und damit auch § 13. Besteht ein DBA, unterliegen die Anteile nicht der deutschen Besteuerung, § 13 ist daher insoweit nicht anwendbar.
Rz. 8
Zeitpunkt der fiktiven Veräußerung und des fiktiven Erwerbs der Anteile ist der des handelsrechtlichen Wirksamwerdens der Verschmelzung, da nach § 2 die Rückwirkung auf den steuerlichen Übertragungszeitpunkt nur für die übertragende und die übernehmende Körperschaft gilt, nicht für den Anteilseigner der übernehmenden Körperschaft.
Rz. 9
Die fiktive steuerliche Veräußerung der Anteile ist ein Tatbestand der Gewinnrealisierung. Tatsächlich wird eine Gewinnrealisierung aber dadurch verhindert, dass als Veräußerungspreis der Buchwert der Anteile angenommen wird. Die fiktive Veräußerung ist daher gewinnneutral, ein steuerpflichtiger Gewinn entsteht nicht.
Rz. 10
Die durch die Verschmelzung neu erworbenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft gelten als mit dem Buchwert der „veräußerten” Anteile angeschafft. Auch der Anschaffungsvorgang ist eine Fiktion, da eine Anschaffung mit Anschaffungskosten tatsächlich nicht vorliegt.
Die Bewertung der neu erworbenen Anteile hat mit demselben Wert zu erfolgen, der bei der fiktiven Veräußerung der alten Anteile als Veräußerungspreis angesetzt wurde, d. h. mit dem Buchwert der alten Anteile. Dieser Wert bildet die Anschaffungskosten der neuen Anteile. Der Sache nach enthält diese Regelung eine „Buchwertverknüpfung” zwischen dem Buchwert der alten Anteile und dem anzusetzenden Buchwert der neuen Anteile.
Rz. 10a
Bedeutsam ist, dass § 13, anders als § 12 Abs. 3 S. 1, keine allgemeine Bestimmung enthält, dass die neuen Anteile in jeder Hinsicht an die Stelle der alten Anteile treten. § 13 Abs. 1 enthält eine Wertverknüpfung, aber keine umfassende steuerliche Gesamtrechtsnachfolge. Dies ist schon dadurch ausgeschlossen, dass Abs. 1 ausdrücklich bestimmt, dass die alten Anteile als „veräußert” gelten. Eine Veräußerung schließt aber eine „Gesamtrechtsnachfolge” gerade aus.
Die neuen Anteile treten jedoch „an die Stelle der alten Anteile”. Da die alten Anteile zum Betriebsvermögen gehörten, gilt dies auch für die neuen Anteile; sie gehören kraft Gesetzes zum Betriebsvermögen, und zwar unabhängig davon, ob für die neuen Anteile die Voraussetzungen des notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögens erfüllt sind. Sollen sie aus dem Betriebsvermögen ausscheiden, ist dies nur nach dem steuerlichen Übertragungszeitpunkt und nur durch Veräußerung oder Entnahme, damit unter Gewinnverwirklichung, möglich.
Erreicht wird durch diese Regelung, dass die in den alten Anteilen enthaltenen stillen Reserven, die nicht aufgedeckt und versteuert wurden, auf die neuen Anteile übertragen werden, somit steuerverstrickt bleiben. Die spätere Versteuerung dieser stillen Reserven bei Veräußerung oder Entnahme der Anteile, Liquidation/Betriebsaufgabe des Anteilsinhabers bleibt also sichergestellt (zur Ausdehnung der Steuerverstrickung vgl. Rz. 18).
Rz. 11
Anders als der Vermögensübergang zwischen der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft ist der Austausch der Anteile an der übertragenden Körperschaft gegen die Anteile an der übernehmenden Körperschaft als fiktive Veräußerung und Anschaffung ausgestaltet (zum Anschaffungszeitpunkt vgl. Rz. 8).
Hinsichtlich der erworbenen Anteile treten alle Folgen ein, die mit einer Anschaffung verknüpft sind. Die übertragenen Buchwerte der untergegangenen Anteile sind die Anschaffungskosten der erworbenen Anteile. Fristen, die an die Anschaffung anknüpfen, beginnen mit dem Anschaffu...