Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 18
Abs. 3 und 4 führen das Prinzip, dass durch die Verschmelzung zwar keine Versteuerung von stillen Reserven eintreten, eine bestehende Steuerverstrickung aber nicht aufgelöst werden soll, für zwei weitere Fälle fort.
Sind die Anteile an der übertragenden Körperschaft ursprünglich durch Sacheinlage nach § 20 ohne vollständige Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven erworben worden, sind diese Anteile als einbringungsgeborene Anteile steuerverstrickt (vgl. § 21 Rz. 29). § 13 Abs. 3 bestimmt hierfür, dass sich diese Steuerverstrickung an den Anteilen an der übernehmenden Körperschaft fortsetzt; diese Anteile treten in voller Hinsicht an die Stelle der einbringungsgeborenen Anteile an der übertragenden Körperschaft und gelten selbst als einbringungsgeboren (Einzelheiten vgl. Kommentierung zu § 21). Diese Regelung gilt sowohl für im Betriebsvermögen als auch für im Privatvermögen gehaltene Anteile.
Die Regelung, dass die neuen Anteile als einbringungsgeboren gelten, gilt auch für § 8b Abs. 4 KStG. Das bedeutet, dass die Bindung der alten, einbringungsgeborenen Anteile nach § 8b Abs. 4 KStG auf die neuen Anteile übergeht.
Darüber hinaus enthält die Vorschrift aber keine Regelung, dass die neuen Anteile in vollem Umfang an die Stelle der alten Anteile treten; eine solche umfassende Regelung wäre mit der „Veräußerungsfiktion” des Abs. 1 unvereinbar. Der Ansicht des BMF (v. 16.12.2003, IV A 2 — S 1978 — 16/03, BStBl I 2003, 786, Tz. 16), dass eine Wertaufholungsverpflichtung aus den alten Anteilen auf die neuen Anteile übergeht, ist daher nicht zu folgen. Die neuen Anteile sind zu dem Buchwert der alten Anteile „angeschafft”, diese Anschaffungskosten bilden daher die Obergrenze für eine etwaige Wertaufholung. Weder Abs. 1 noch Abs. 3 enthält eine gegenteilige Regelung.
Rz. 19
Auffällig ist, dass diese Regelung unvollständig ist. Eine Steuerverstrickung tritt, neben den Fällen der §§ 17, 23 EStG, nicht nur bei einbringungsgeborenen Anteilen, sondern auch bei spaltungs- und verschmelzungsgeborenen Anteilen ein. Es ist nämlich denkbar, dass die untergehenden Anteile als spaltungs- oder verschmelzungsgeborene Anteile steuerverstrickt waren. Man wird daher die Regelung für die einbringungsgeborenen Anteile, und damit Abs. 2, entsprechend anwenden müssen. Dadurch können für die fiktive Veräußerung der verschmelzungs- oder spaltungsgeborenen Anteile an der übertragenden Körperschaft die Anschaffungskosten als Veräußerungspreis angesetzt werden; eine Gewinnrealisierung würde also verhindert. Notwendige Konsequenz ist dann aber, dass auch die erworbenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft als verschmelzungs- oder spaltungsgeborene Anteile die Steuerverstrickung der untergehenden Anteile fortsetzen.
Würde die systemwidrige Lücke im Gesetz nicht auf diese Weise geschlossen, träte eine Gewinnrealisierung ein, wenn die untergehenden Anteile verschmelzungs- oder spaltungsgeboren sind und im Privatvermögen gehalten werden. Für eine solche ungleiche Behandlung der verschmelzungs- oder spaltungsgeborenen Anteile gegenüber den einbringungsgeborenen Anteilen und den nach den §§ 17, 23 EStG steuerverstrickten Anteilen fehlt jede Rechtfertigung.
Rz. 20
Nach Abs. 4 geht die Steuerverstrickung der alten Anteile auf die neuen Anteile über, wenn die Anteile an der übertragenden Körperschaft unter den Voraussetzungen des § 50c Abs. 11 EStG erworben wurden und daher den Bestimmungen des § 50c EStG unterlagen. Die im Zuge der Verschmelzung erworbenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft unterliegen ebenfalls § 50c EStG. Die Bindung der alten Anteile unter § 50c EStG wird also auf die neuen Anteile übertragen. Dabei treten auch in diesem Fall die Anteile an der übernehmenden Körperschaft vollen Umfangs an die Stelle der Anteile an der übertragenden Körperschaft. Das bedeutet, dass die Bindungsfrist weiter läuft, also nicht neu beginnt.