Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 63
§ 23 Abs. 4 UmwStG ist neben § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG anwendbar. Es ist nicht Zweck von § 23 Abs. 4 UmwStG, die Möglichkeiten eines steuerneutralen Anteilstausches nach § 20 UmwStG einzuschränken.
Während § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG die Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft regelt, betrifft § 23 Abs. 4 UmwStG die Einlage von Gesellschaftsanteilen an einer EU-Kapitalgesellschaft in eine unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige EU-Kapitalgesellschaft. Bei der Gestaltung eines Anteilstausches kommt es für den steuerlichen Berater darauf an, nach der günstigeren Norm zu suchen, da beide Vorschriften Unterschiede aufweisen: § 23 Abs. 4 UmwStG verlangt ebenso wie § 20 Abs. 1 UmwStG die Hingabe neuer Anteile. Jedoch ist in § 23 Abs. 4 UmwStG – anders als in § 20 Abs. 1 UmwStG – eine zusätzliche Gegenleistung auf 10 % des Nennwerts beschränkt. Nach § 23 Abs. 4 UmwStG eingelegte Anteile unterliegen nach § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG bei der übernehmenden EU-Kapitalgesellschaft einer Behaltensfrist von sieben Jahren. Im Falle der Einlage nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG besteht ein solches Erfordernis nicht.
Rz. 64
Beispiel (vgl. BMF v. 25.3.1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 23.11):
Die natürliche Person P ist zu 80 % an der niederländischen X-NV beteiligt. P bringt diese Beteiligung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die inländische Y-GmbH ein. Die Einbringung fällt sowohl in den Anwendungsbereich von § 20 als auch von § 23 Abs. 4 UmwStG. Eine Berufung auf die Anwendbarkeit von § 20 UmwStG bringt P die Vorteile, daß die Beschränkung von Zuzahlungen auf 10 % nach § 23 Abs. 4 Satz 3 UmwStG und die siebenjährige Behaltensfrist nach § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG entfallen. Außerdem kann die Einbringung nach Maßgabe von § 20 Abs. 7 und 8 UmwStG zurückbezogen werden.
Rz. 65
Einem Anteilstausch nach § 23 Abs. 4 UmwStG gebührt – ebenso wie einem solchen nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG (vgl. § 20 Rz. 72) – der Vorrang vor einer Anwendung der gewohnheitsrechtlich geltenden Grundsätze des Tauschgutachtens. Ein Steuerpflichtiger besitzt insoweit kein Wahlrecht. Raum für die Grundsätze des Tauschgutachtens bleibt nach BMF v. 9.2.1998 (IV B 2 – S 1909 – 5/98, BStBl I 1998, 163, Tz. 18 bis 21) bei einem Einbringungsvorgang mit Auslandsberührung nur, wenn die Voraussetzungen von § 23 Abs. 4 UmwStG nicht erfüllt sind, weil
- die Kapitalgesellschaft, deren Anteile eingebracht werden, oder die übernehmende Kapitalgesellschaft keine EU-Kapitalgesellschaften i. S. von § 23 UmwStG sind;
- die übernehmende EU-Kapitalgesellschaft nicht die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen EU-Kapitalgesellschaft erhält;
- die übernehmende Kapitalgesellschaft eigene Anteile, die keine neuen sind, als Gegenleistung gewährt.
Ein erfolgsneutraler Tausch von Kapitalanteilen nach den Grundsätzen des Tauschgutachtens ist nach § 6 Abs. 6 EStG für Erwerbe aufgrund eines nach dem 31.12.1998 abgeschlossenen schuldrechtlichen Vertrages entfallen.
Rz. 66
Tauscht eine natürliche Person, die insgesamt mindestens 10 Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen ist, eine im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung i. S. von § 17 EStG gegen Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft ein, so löst sie damit grundsätzlich eine steuerpflichtige Gewinnrealisierung nach § 6 Abs. 3 Nr. 4 AStG aus. Jedoch hat das UmwStG demgegenüber nach § 6 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 AStG Vorrang. Infolgedessen entfällt eine Gewinnrealisierung unter den Voraussetzungen von § 23 Abs. 4 UmwStG.