3.3.1 Allgemeines
Rz. 99
Liegen die Voraussetzungen des qualifizierten Anteilstauschs vor, darf die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile auf Antrag ausnahmsweise mit ihrem Buchwert bzw. ihren Anschaffungskosten oder einem Zwischenwert ansetzen.
Rz. 99a
Liegt der gemeine Wert unter dem Buchwert der eingebrachten Anteile, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung und der wohl h. M. der gemeine Wert anzusetzen. Dies erschließt sich jedoch nicht ganz eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut, weil die Höchstbetragsregelung "höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert" sich auch nur auf die Alternative Ansatz "mit einem höheren Wert" und nicht auch auf die Alternative "mit dem Buchwert" beziehen könnte. Nach dieser Lesart könnte der Buchwert auf Antrag beibehalten werden, wenn aufgrund des seit dem Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit bestehenden eigenständigen steuerbilanziellen Bewertungswahlrechts nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG von einer Teilwertabschreibung bislang abgesehen wurde.
Rz. 100
Mit der Ausübung ihres Wahlrechts entscheidet die übernehmende Gesellschaft grundsätzlich über die Steuerfolgen auf der Ebene des Einbringenden. Der von ihr gewählte Wert gilt nach § 21 Abs. 2 S. 1 UmwStG für den Einbringenden grundsätzlich als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile (Wertverknüpfung). Ein Ansatz oberhalb des Buchwerts bzw. der Anschaffungskosten führt zu einem Einbringungsgewinn, der unter Beachtung der Sonderregelungen des § 21 Abs. 3 UmwStG der allgemeinen Besteuerung unterliegt.
Rz. 101
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die Wertverknüpfung nicht zur Anwendung kommt. Nach § 21 Abs. 2 S. 2, 3 UmwStG muss in bestimmten Fällen abweichend von dem Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile auf jeden Fall der gemeine Wert angesetzt werden oder kann dem Einbringenden ein originäres Bewertungswahlrecht zustehen. In diesen Fällen hat der Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft keine Folgewirkung auf die Besteuerung des Einbringenden.
Rz. 102
Die übernehmende Gesellschaft hat für jeden einzelnen Sacheinlagegegenstand ein gesondertes Bewertungswahlrecht. Jede von einem Rechtsträger erworbene Gesellschaft ist für sich genommen ein Sacheinlagegegenstand. Damit hat die übernehmende Gesellschaft mehrere gesonderte Bewertungswahlrechte, z. B. wenn Anteile an verschiedenen Gesellschaften oder von verschiedenen Rechtsträgern eingebracht werden.
3.3.2 Voraussetzungen
3.3.2.1 Qualifizierter Anteilstausch
Rz. 103
Nach § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwStG ist Voraussetzung für das Bewertungswahlrecht der übernehmenden Gesellschaft, dass sie aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der übernommenen Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft hat, deren Anteile eingebracht werden.
Rz. 104
Zweck der Beschränkung der Steuervergünstigung auf mehrheitsvermittelnde Anteile ist es, die Bildung einer unternehmerischen Mehrheitsbeteiligung zu fördern. Jedoch soll nicht die Schaffung einer lediglich als Kapitalanlage gedachten Minderheitsbeteiligung steuerlich unterstützt werden.
Rz. 105
Warum nur eine unmittelbare, nicht aber auch eine mittelbare Mehrheitsbeteiligung gefördert wird, ist nicht erkennbar.
Rz. 106
Der steuerneutrale Anteilstausch bietet die Möglichkeit einer indirekten Fusion von Gesellschaften. Eine Gesellschaft kann eine andere als Tochtergesellschaft übernehmen, indem sie die einbringenden Gesellschafter der erworbenen Gesellschaft mit neuen Anteilen ihrer Gesellschaft abfindet. Außerdem lässt sich eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft aufstocken, indem Minderheitsgesellschaftern der steuerneutrale Tausch ihrer Beteiligung gegen eine Beteiligung an der Obergesellschaft angeboten wird. Der Anteilstausch lässt sich auch als Mittel zur Umstrukturierung eines Konzerns nutzen: Eine Muttergesellschaft kann eine von ihr gehaltene Beteiligung in eine Tochter- oder Enkelgesellschaft einbringen, um auf diese Weise die Beteiligungskette zu verlängern. Ein Anteilstausch ist jedoch kein Mittel, um einen Konzernaufbau zu straffen. Kooperationswillige Kapitalgesellschaften können sich eine gemeinsame Holding schaffen, indem sie ihre Gesellschafter veranlassen, ihre Anteile gegen Gewährung von Anteilen an dieser Holding einzubringen.
Rz. 107
Nach § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwStG kommt es nur darauf an, dass die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft hat, deren Anteile eingebracht worden sind. Maßgeblich sind nur die Stimmrechtsverhältnisse nach der Einbringung. Es kann daher auch eine bereits bestehende Mehrheitsbeteil...