Rz. 168

Nach § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 3 Hs. 3 UmwStG löst auch die Ausschüttung oder Rückzahlung von Beträgen des steuerlichen Einlagekontos i. S. d. § 27 KStG eine rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns I aus.

 

Rz. 169

Unklar ist hierbei zum einen, ob jede Minderung des steuerlichen Einlagekontos eine Ausschüttung oder Rückzahlung von Beträgen des steuerlichen Einlagekontos darstellt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kommt es in den Fällen der Kapitalherabsetzung und der Einlagenrückgewähr zwar nur insoweit zu einer rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung, als der tatsächlich aus dem steuerlichen Einlagekonto ausgekehrte Betrag den Buchwert bzw. die Anschaffungskosten der sperrfristbehafteten Anteile im Zeitpunkt der Einlagenrückgewähr übersteigt. Zu einer Besteuerung soll es jedoch auch in den Fällen von Mehrabführungen i. S. d. § 14 Abs. 3 oder 4 KStG kommen, soweit dafür das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt.[1]

 

Rz. 169a

Dagegen wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass die Minderung des steuerlichen Einlagekontos aufgrund von handelsrechtlichen Mehrabführungen im Rahmen einer Organschaft weder eine Ausschüttung noch eine Rückzahlung darstellt und somit nicht den Tatbestand des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 3 Hs. 3 UmwStG erfüllt.[2]

 

Rz. 169b

Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, und Mehrabführungen aus vororganschaftlicher Zeit haben nichts damit zu tun, dass der Stpfl. eine "Statusverbesserung" erreicht. Trotzdem soll nach der Auffassung der Finanzverwaltung insoweit eine Nachversteuerung durch Entstehen eines Einbringungsgewinns eintreten.

In den Fällen organschaftlicher Mehrabführungen, die vor dem 1.1.2022 erfolgt sind, ist dabei der Buchwert der sperrfristbehafteten Anteile im Zeitpunkt der Mehrabführung um aktive und passive Ausgleichsposten i. S. v. § 14 Absatz 4 KStG zu korrigieren. Beim Übergang zur Einlagelösung erhöhen nach § 34 Abs. 6e KStG i. d. F. des KöMoG vorhandene aktive Ausgleichsposten bzw. mindern vorhandene passive Ausgleichsposten den Buchwert der Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft in der Steuerbilanz des Wirtschaftsjahres, das nach dem 31.12.2021 endet. Organschaftliche Minder- und Mehrabführungen, die nach dem 31.12.2023 erfolgt sind, erhöhen bzw. mindern nach § 14 Abs. 4 KStG i. d. F. des KöMoG unmittelbar den Beteiligungsbuchwert und werden wegen § 27 Abs. 6 KStG auch bei der Ermittlung einer schädlichen Einlagenrückgewähr berücksichtigt.[3]

Ein gesetzgeberischer Grund für eine Nachversteuerung liegt aber nicht vor. Es handelt sich dabei im Rahmen der Nachversteuerungstatbestände des § 22 Abs. 1 S. 6 UmwStG um Fremdkörper. Daher sollten diese Fälle im Wege einer einschränkenden Auslegung aus dem Geltungsbereich der Nachversteuerungstatbestände ausgeklammert werden.

 

Rz. 170

Auch für den Fall, dass eine Ausschüttung oder Rückzahlung zweifelsfrei vorliegt, soll der Tatbestand des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 3 Hs. 3 UmwStG nach wohl h. M. nur insoweit erfüllt sein, als die ausgeschütteten bzw. zurückgezahlten Beträge des Einlagekontos aus Beständen gespeist werden, die aus dem Einbringungsvorgang i. S. d. § 20 UmwStG stammen.[4] Die Verwendung der beiden Einlagetöpfe soll entweder quotal im Verhältnis der Einlagetöpfe zueinander[5] oder vorrangig aus dem nicht schädlichen Topf[6] erfolgen. Begründet wird diese einschränkende Auslegung damit, dass nach der Grundregel des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG nur die Veräußerung der sperrfristverstrickten Anteile, nicht aber die Veräußerung anderer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft schädlich ist.[7]

 

Rz. 171

Der h. M. ist darin zuzustimmen, dass es entsprechend der Grundregel nur um die Quasi-Veräußerung der sperrfristverstrickten Anteile gehen kann. Allerdings wäre diesem Ziel auch dadurch Rechnung zu tragen, dass die Auskehrung von Beträgen nur insoweit den Tatbestand des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 3 Hs. 3 UmwStG erfüllt, als die Auskehrung an den Einbringenden erfolgt. Eine weitergehende Einschränkung lässt sich aus dem Sinn und Zweck des § 22 UmwStG nicht herleiten, weil ansonsten sogar die Grundlage für eine missbräuchliche Quasi-Veräußerung geschaffen werden würde.

 
Praxis-Beispiel

A möchte B zu 50 % entgeltlich an seinem Betrieb[8] beteiligen. Dazu gründet B zunächst die X-GmbH und bringt 1 Mio. EUR in bar ein, wobei 25.000 EUR auf das Stammkapital entfallen und 975.000 EUR in die Kapitalrücklage eingestellt werden. In Höhe der Zuführung zur Kapitalrücklage erfolgt ebenfalls eine Erfassung auf dem steuerlichen Einlagekonto der X-GmbH.

Anschließend bringt A seinen Betrieb gegen Gewährung neuer Gesellschaftsrechte mit einem nominalen Stammkapital von 25.000 EUR nach. § 20 UmwStG zum Buchwert in die X-GmbH ein.

Würde nunmehr die Kapitalrücklage aufgelöst und hälftig an die beiden zu je 50 % beteiligten Gesellschafter ausgeschüttet werden, so hätte A seine sperrfristverstrickten Anteile im Ergebnis hälftig mittelbar an B veräußert. Daher entspricht es dem Sinn und Zweck des §...

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