3.2.1 Grundtatbestand: Veräußerung der eingebrachten Anteile durch die übernehmende Gesellschaft (§ 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG)
3.2.1.1 Allgemeines
Rz. 241
Die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II setzt gem. § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG voraus, dass
- eine Sacheinlage i. S. d. § 20 Abs. 1 UmwStG mit dazugehörigen Anteilen oder ein Anteilstausch i. S. d. § 21 Abs. 1 UmwStG unter dem gemeinen Wert vorausgegangen ist,
- der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile beim Einbringenden im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre und
- die übernehmende Gesellschaft
- die eingebrachten Anteile
- innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt
- unmittelbar oder mittelbar veräußert.
3.2.1.2 Sacheinlage oder Anteilstausch unter dem gemeinen Wert
Rz. 242
Die Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG setzt zunächst voraus, dass zuvor Anteile an einer Kapitalgesellschaft (oder Genossenschaft) nach § 20 oder § 21 UmwStG unter dem gemeinen Wert in eine Kapitalgesellschaft (oder Genossenschaft) (mit) eingebracht wurden.
Rz. 243
Für die Frage, ob ein Ansatz unter dem gemeinen Wert vorliegt, kommt es grundsätzlich auf den tatsächlichen Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft an, unabhängig davon, ob dieser von einem zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft ggf. vertraglich vereinbarten Wertansatz abweicht.
Rz. 244
Wenn im Rahmen einer Sacheinlage unter dem gemeinen Wert ggf. nur für die mit eingebrachten Anteile nach§ 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UmwStG der gemeine Wert anzusetzen war, ist § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG nicht einschlägig. Die Formulierung "unter dem gemeinen Wert" bezieht sich, anders als in § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG, nicht auf die Sacheinlage insgesamt, sondern lediglich auf die mit eingebrachten Anteile.
Rz. 245
Dagegen liegt ein Anteilstausch unter dem gemeinen Wert vor, wenn im Fall eines grenzüberschreitenden Anteilstauschs ausnahmsweise die übernehmende Gesellschaft den gemeinen Wert angesetzt, der Einbringende jedoch nach § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG den Antrag gestellt hat, dass ein Wert unterhalb des gemeinen Werts als Veräußerungspreis der eingebrachten und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile gelten soll. Letztlich ist auf den Wertansatz beim Einbringenden abzustellen.
Rz. 246
Soweit ein Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Mitunternehmeranteil einbringt und Anteile an einer Kapitalgesellschaft (nur) zu dem gesamthänderischen Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehören, kann es nicht zur Anwendung des § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG kommen. Voraussetzung für die Anwendung des § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG ist, dass Anteile eingebracht wurden. Diverse Urteile des BFH sowie auch Gesetzesformulierungen lassen den Schluss zu, dass ein im Gesetz genannter Tatbestand, hier die vormalige Einbringung von Anteilen, anders als bei dem Begriff der "Veräußerung" grundsätzlich nur die unmittelbare Durchführung des Tatbestands erfasst. Soll das Gesetz auch den mittelbar über eine Personengesellschaft durchgeführten Tatbestand erfassen, so muss dies durch den Gesetzeswortlaut unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden.
Der Wortlaut des § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG erfasst jedoch nicht die mittelbar über eine Personengesellschaft unter dem gemeinen Wert eingebrachten Anteile.
Dagegen werden Anteile erfasst, die als Sonderbetriebsvermögen zusammen mit einem Mitunternehmeranteil eingebracht wurden. Hier liegt eine Miteinbringung von Anteilen vor.
3.2.1.3 Gewinn aus der Veräußerung der Anteile im Einbringungszeitpunkt nicht steuerfrei
Rz. 247
Bei dem Einbringenden durfte der Gewinn aus einer etwaigen Veräußerung dieser Anteile im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen sein. Damit werden Einbringende erfasst, die keine durch § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Personen sind, also alle diejenigen Rechtsträger, die von vornherein nicht unter das KStG fallen, insbesondere also natürliche Personen.
Rz. 248
Durch die Formulierung "soweit die eingebrachten Anteile zum Einbringungszeitpunkt beim Einbringenden nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wären" grenzt § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG nur die eingebrachten Anteile aus seinem Anwendungsbereich aus, die bereits vor der Einbringung gem. § 8b Abs. 2 KStG steuerbegünstigt hätten veräußert werden können. Wäre die Veräußerung nach § 8b Abs. 7 oder 8 KStG steuerpflichtig gewesen, ist § 22 Abs. 2 UmwStG daher anzuwenden.
Rz. 249
Ist Ausgangsrechtsträger der vormaligen Einbringung eine Personengesellschaft, kommt es ausschließlich auf die hinter der Personengesellschaft stehenden steuerpflichtigen Personen an. Ggf. sind die eingebrachten Anteile nur insoweit sperrfristverstrickt, als natürliche Personen vermögensmäßig an der Personengesellschaft beteiligt waren.
3.2.1.4 Übernehmende Gesellschaft
Rz. 250
Bei der übernehmenden Gesellschaft muss es sich gem. § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UmwStG im Einbringungszeitpunkt um eine EU- bzw. EWR-Gesellschaft gehandelt haben. Da § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG dazu keine weiteren ...