Rz. 262

Nach § 22 Abs. 2 S. 5 Hs. 1 UmwStG kommt es trotz Veräußerung der sperrfristverstrickten Anteile insoweit nicht zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns II, als der Einbringende die erhaltenen Anteile zwischenzeitlich bereits veräußert hat.[1] Die Finanzverwaltung sieht alle Formen von Umwandlungen und Einbringungen als Veräußerungen an. Dies gilt unabhängig davon, ob diese unter Aufdeckung stiller Reserven erfolgen oder nicht. So suspendiert bspw. die ertragsteuerneutrale Folgeeinbringung in eine weitere Kapitalgesellschaft, § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG, 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG, oder in eine Mitunternehmerschaft, § 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG, von zuvor im Rahmen eines qualifizierten Anteilstausches i. S. d. § 21 UmwStG erhaltenen Anteilen die Sperrfrist an den ursprünglich eingebrachten Anteilen, § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG.

 
Praxis-Beispiel

Die natürliche Person A hält 100 % der Anteile an der A-GmbH. A bringt zum 1.1.2023 ihre Anteile an der A-GmbH gem. § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG zu Buchwerten in die A-Holding-GmbH ein und erhält dafür 100 % der Anteile an der A-Holding-GmbH. Zum 1.1.2026 bringt sie die 100 % der Anteile an der A-Holding-GmbH in die neu gegründete Z-GmbH zum Buchwert ein. Sie erhält dafür 100 % der Anteile an der Z-GmbH. Zum 1.7.2026 veräußert die A-Holding-GmbH alle Anteile an der A-GmbH an B unter Nutzung von § 8b Abs. 2, Abs. 3 KStG.

Hierzu kommt es nach dem UmwStE-E "nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift" aber nur, wenn die vorangehende Veräußerung der enthaltenen Anteile durch den Einbringenden die vollständige Aufdeckung der stillen Reserven zur Folge hatte.[2]

Die Auffassung der Finanzverwaltung ist jedoch mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG unvereinbar und damit unzulässig. Der Wortlaut verlangt nämlich nicht, dass die Veräußerung unter Aufdeckung der stillen Reserven erfolgte.[3]

Im Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 ist jedoch akutell vorgesehen, dass nur Veräußerungen unter Aufdeckung der stillen Reserven in den Anwendungsbereich der Norm fallen sollen.

 

Rz. 263

Der Verzicht auf die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II ist sachgerecht, weil der Einbringende, soweit die erhaltenen Anteile bereits veräußert wurden, nicht von der Statusverbesserung der eingebrachten Anteile profitiert.[4] Die tatsächliche Veräußerung der erhaltenen Anteile ersetzt quasi die fiktive Einbringung zum gemeinen Wert.

Zu einem Steuervorteil für den Einbringenden kann es kommen, wenn der gemeine Wert der erhaltenen Anteile im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung geringer ist als der gemeine Wert im Einbringungszeitpunkt. Daher kann es sich in Einzelfällen empfehlen, die erhaltenen Anteile vorzeitig zu veräußern.

 

Rz. 264

Durch den Verweis in § 22 Abs. 2 S. 6 UmwStG auch auf § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG führt die zwischenzeitliche Veräußerung der erhaltenen Anteile auch bei der Realisierung eines Ersatztatbestands i. S. d. § 22 Abs. 2 S. 6 i. V. m. Abs. 1 S. 6 UmwStG zu einem Verzicht auf die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II.

 

Rz. 265

Hält der Einbringende nicht nur die "erhaltenen" Anteile, sondern auch noch "andere" Anteile an der übernehmenden Gesellschaft, stellt sich die Frage, welche Anteile im Fall einer nur anteiligen Veräußerung veräußert werden.

Wie auch in vergleichbaren Fällen wird wohl eine quotale Veräußerung sowohl der erhaltenen als auch der anderen Anteile anzunehmen sein, es sei denn, der Einbringende kann aufgrund einer für Dritte nachvollziehbaren Separierung nachweisen, dass zuvorderst oder ausschließlich die erhaltenen Anteile veräußert worden sind.

[1] S. zur Veräußerung BMF v. 23.10.2023, IV C 2 – S 1978/19/10001, UmwStE-E, Rz. 00.02, 00.03; der Veräußerungsbegriff wird kontrovers diskutiert. S. dazu § 20 UmwStG Rz. 57ff.
[2] BMF v. 23.10.2023, IV C 2 – S 1978/19/10001, UmwStE-E Rz. 22.17; s. jüngst zur Literaturauffassung zur Buchwert-Weitereinbringung Kowanda, DStR 2023, 1681, 1684ff.
[3] S. ebenso Stangl, in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 22 UmwStG Rz. 485; Nitzschke, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 22 UmwStG Rz. 83; Oppel/Solowjeff/Trappmann, BB 2023, 2711, 2714ff.; a. A. Kowanda, DStR 2023, 1681, 1681ff. unter Berücksichtigung des Telos der Norm, s. ab S. 1687 zu den Folgen für die steuerliche Beratung.
[4] S. ebenso Stangl, in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 22 UmwStG Rz. 481.

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