Prof. Dr. Georg Schnitter
Rz. 27
Da die Kapitalgesellschaft handelsrechtlich keine Übertragungsbilanz nach § 17 Abs. 2 UmwG aufzustellen hat, kann § 2 Abs. 1, 2 UmwStG keine Anwendung finden. § 9 S. 3 UmwStG enthält eine gegenüber § 2 Abs. 1, 2 UmwStG eigenständige Regelung für die steuerliche Rückbeziehung des Formwechsels einer Kapital- in eine Personengesellschaft. Danach können – abweichend von dem Grundsatz der Aufstellung einer Übertragungs- und Eröffnungsbilanz auf den Tag der Registereintragung des Formwechsels nach § 9 S. 2 UmwStG – die Übertragungs- und die Eröffnungsbilanz auch auf einen Zeitpunkt aufgestellt werden, der höchstens 8 Monate vor der Registeranmeldung des Formwechsels liegt. Auch in diesem Fall sind die Übertragungs- und Eröffnungsbilanz auf den gleichen Stichtag aufzustellen. Innerhalb des von § 9 S. 3 UmwStG vorgegebenen zeitlichen Rahmens kann jeder beliebige Stichtag gewählt werden. Stichtag kann damit auch der Stichtag der letzten Jahresbilanz sein mit der Folge, dass die Übertragungsbilanz und die letzte Jahresbilanz identisch sind. Wird die Frist von 8 Monaten nicht eingehalten und liegt der Stichtag tatsächlich mehr als 8 Monate vor der Anmeldung des Formwechsels zur Eintragung in das Handelsregister, gilt als steuerlicher Übertragungsstichtag der Tag der Eintragung des Formwechsels. Maßgeblich ist die Frist von 8 Monaten auch dann, wenn nach den Vorschriften des ausl. Rechts eine von § 9 S. 3 UmwStG abweichende Regelung besteht. Die Frist von acht Monaten ist nach § 27 Abs. 15 S. 1 UmwStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Zeitraums von 8 Monaten ein Zeitraum von 12 Monaten tritt, wenn die Anmeldung zur Eintragung des Formwechsels im Jahr 2020 erfolgt ist. Auf der Grundlage von § 27 Abs. 15 S. 2 UmwStG i. V. m. der Verordnung zu § 27 Abs. 15 UmwStG v. 18.12.2020 wurde § 27 Abs. 15 S. 1 UmwStG für Anmeldungen zur Eintragung des Formwechsels, die im Jahr 2021 erfolgen, für entsprechend anwendbar erklärt. Maßgebend für die Fristberechnung sind §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. § 193 BGB findet keine Anwendung. Unschädlich ist es, wenn es aufgrund der Anmeldung des Formwechsels zur Eintragung in das Handelsregister noch zu keiner Eintragung kommt, weil noch weitere Unterlagen vom Registergericht angefordert werden.
Rz. 28
Die Rückwirkung hat zur Folge, dass Einkommen und Vermögen der Kapital- sowie der Personengesellschaft so zu ermitteln sind, als ob das Vermögen der Kapitalgesellschaft mit Ablauf des gewählten Stichtags auf die Personengesellschaft übergegangen wäre.
Rz. 29
Die Rechtshandlungen der Kapitalgesellschaft im Rückwirkungszeitraum sind steuerlich der Personengesellschaft zuzurechnen. Dies gilt auch für verdeckte Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen im Rückwirkungszeitraum. Geltung hat die Rückwirkungsfiktion auch für die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft bzw. die Gesellschafter der Personengesellschaft. Die Rückwirkungsfiktion gilt nicht für den Anteilseigner der formwechselnden Kapitalgesellschaft, sofern dieser nicht gleichzeitig übernehmender Rechtsträger ist. Sie gilt auch nicht für die Rechtsbeziehungen gegenüber Rechtsträgern, an denen die übertragende Körperschaft beteiligt ist, oder gegenüber sonstigen Dritten.
Rz. 30
Die steuerliche Rückwirkung gilt unabhängig davon, ob am steuerlichen Übertragungsstichtag die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für einen Formwechsel vorgelegen haben oder nicht. Sie erfasst auch Rechtshandlungen im Rückwirkungszeitraum, die das Ziel haben, die zum Übertragungsstichtag noch nicht vorliegenden gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für einen Formwechsel erst zu schaffen. Damit ist der rückwirkende Formwechsel einer GmbH in eine GmbH & Co. KG selbst dann möglich, wenn die Komplementär-GmbH erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag in das Handelsregister eingetragen wird.