Prof. Dr. Georg Schnitter
2.8.1 Allgemeines
Rz. 78
Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören nicht nur Einkünfte aus einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, sondern auch solche aus landwirtschaftlicher Tierzucht und Tierhaltung i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG, wenn die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 bis 4 EStG genannten Voraussetzungen vorliegen. Danach gehören nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung, wenn im Wirtschaftsjahr
- für die ersten 20 ha nicht mehr als 10 Vieheinheiten,
- für die nächsten 10 ha nicht mehr als 7 Vieheinheiten,
- für die nächsten 20 ha nicht mehr als 6 Vieheinheiten,
- für die nächsten 50 ha nicht mehr als 3 Vieheinheiten und
- für die weitere Fläche nicht mehr als 1,5 Vieheinheiten
je Hektar der vom Inhaber des Betriebs regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche erzeugt oder gehalten werden. Umzurechnen sind nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG die Tierbestände nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten, wobei nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG § 51 Abs. 2 bis 5 BewG anzuwenden ist. Einkünfte aus landwirtschaftlicher Tierzucht und Tierhaltung setzen somit einen Veranlassungszusammenhang mit der Landwirtschaft voraus. Der in Vieheinheiten umgerechnete Tierbestand darf eine bestimmte Mindestflächendeckung nicht nachhaltig überschreiten. Durch G. v. 26.11.2019 wurde in § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG der Verweis auf § 51 Abs. 2 bis 5 BewG nebst Anlagen 1 und 2 zum BewG durch den Verweis auf die inhaltlich vergleichbaren Regelungen in § 241 Abs. 2 bis 5 BewG nebst Anlagen 34 und 35 zum BewG ersetzt. Die Änderung gilt ab dem Vz 2025. Es handelt sich um eine Folgeänderung im Hinblick auf den Wegfall der Bewertungsregelungen zur Einheitsbewertung zum 1.1.2025.
Rz. 79
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG grenzt die landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung von der gewerblichen Tierzucht und Tierhaltung ab. Die Einkünfte aus der landwirtschaftlichen Tierzucht und Tierhaltung werden privilegiert durch die fehlende GewSt-Pflicht und die Möglichkeit der Gewinnermittlung nach § 13a EStG. § 15 Abs. 4 EStG, wonach Verluste aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden können, gilt nicht für Verluste aus landwirtschaftlicher Tierzucht und Tierhaltung. Die Privilegierung dient dem Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft und der damit verbundenen bodenbezogenen Tierproduktion.
2.8.2 Tierzucht und Tierhaltung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG)
Rz. 80
Die Tierzucht ist die planmäßige Paarung von Tieren zur Erzeugung von Nachkommen unter Selektion bestimmter erblicher Eigenschaften oder Merkmale. Es muss ein Veranlassungszusammenhang zwischen der Tierzucht und der Landwirtschaft bestehen. Daran fehlt es z. B. bei einer Brüterei, in der Küken überwiegend aus zugekauften Bruteiern gewonnen und als Eintagsküken weiterveräußert werden. Die Tierzucht umfasst nur die Produktion lebender Tiere.
Rz. 81
Kennzeichnend für die Tierhaltung ist die Aufzucht und Unterhaltung von Tieren zur Nutzung ihrer Fähigkeiten (Reitpferde), zur Gewinnung und Verwertung ihrer Erzeugnisse (Milchkühe) oder zur Verwertung der Tiere und/oder ihrer Produkte (Schlachtung). Auch zwischen der Tierhaltung und der Landwirtschaft muss ein Veranlassungszusammenhang bestehen. Dieser liegt bei Zoologischen Gärten oder Wildparks nicht vor; sie stellen grundsätzlich Gewerbebetriebe dar. Da es auf die Eigentumsverhältnisse am Tier nicht ankommt, ist auch die Haltung fremder Tiere grundsätzlich Tierhaltung.
Rz. 82
Landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung liegen nur dann vor, wenn die Bodenbewirtschaftung Grundlage für die Tierzucht und Tierhaltung ist. Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung gehören nur dann zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn die erzeugten oder gehaltenen Tiere je ha der regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche eine bestimmte Zahl nicht überschreiten. Zum Zweck der Abgrenzung der landwirtschaftlichen Tierzucht und Tierhaltung von der gewerblichen ist der Tierbestand des Betriebs in Vieheinheiten umzurechnen. Dabei ist § 51 Abs. 2 bis 5 BewG anzuwenden. Daraus ergibt sich, dass Tiere i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG nur auf pflanzlicher Basis bodenabhängig ernährte und nach der Verkehrsanschauung der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnende Nutztiere sind. Ausreichend ist hierbei der abstrakte Veranlassungszusammenhang zwischen Tierzucht und Tierhaltung einerseits und der landwirtschaftlichen Urproduktion andererseits. Es kommt im konkreten Einzelfall nicht darauf an, ob tatsächlich selbst erzeugtes oder ausschließlich zugekauftes Futter verwendet wird. Von daher ist es landwirtschaftlichen Betrieben möglich, sämtliche landwirtschaftlichen Flächen zum Marktfruchtanbau zu nutzen und gleichzeitig eine nur theoretisch flächenabhängige Tierzucht bzw. Tierhaltung unter Verwendung von zugekauftem Futter zu betreiben.
Rz. 83 einstweilen frei
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