Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 293
§ 20 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 EStG definiert den Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG als den Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Je nachdem, ob die Einnahmen aus der Veräußerung die Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und die Anschaffungskosten übersteigen oder umgekehrt, kann dieser Unterschied positiv (Gewinn im eigentlichen Sinn) oder negativ (Verlust) sein. Keine Regelung enthält § 20 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 EStG zu der Frage, in welchem Vz der Veräußerungsgewinn steuerlich zu erfassen ist. Da § 20 EStG trotz der Verwendung des Gewinnbegriffs in § 20 Abs. 2 und 4 EStG nach wie vor eine Überschusseinkunftsart darstellt, ist der Gewinn u. E. in Übereinstimmung mit § 11 Abs. 1 EStG im Vz des Zuflusses der Einnahmen aus der Veräußerung zu versteuern. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung zur steuerlichen Erfassung von Spekulationsgewinnen i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG. Demgegenüber scheint die Finanzverwaltung den Zeitpunkt des Abschlusses des zugrunde liegenden obligatorischen Rechtsgeschäfts, also des jeweiligen Kaufvertrags, für maßgeblich zu halten.
Rz. 294
§ 20 Abs. 4 S. 1 Halbs. 2 EStG sieht vor, dass bei nicht in Euro getätigten Geschäften die Einnahmen aus der Veräußerung im Zeitpunkt der Veräußerung und die Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Anschaffung in Euro umzurechnen sind. Abzustellen ist dabei auf den Devisenbriefkurs, also den Kurs, zu dem die Kreditinstitute Devisen an ihre Kunden verkaufen, und nicht auf den Devisengeldkurs, zu dem der Devisenankauf erfolgt. Die Bestimmung erklärt sich aus der Zielsetzung der Abgeltungsteuer, sämtliche Wertveränderungen privater Kapitalanlagen steuerlich zu erfassen. Sie hat zur Folge, dass auch Wertveränderungen aufgrund von Wechselkursschwankungen der Besteuerung unterliegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Umrechnung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes für die Einnahmen aus der Veräußerung der Zeitpunkt der Veräußerung und für die Anschaffungskosten der Zeitpunkt der Anschaffung. Danach käme es auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an der fraglichen Kapitalanlage an. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll dagegen auch insofern auf den Zeitpunkt des zugrunde liegenden obligatorischen Rechtsgeschäfts abzustellen sein.