Rz. 212

Durch G. v. 22.12.2023[1]

wurde § 4h Abs. 6 EStG angefügt. Damit werden Zinsaufwendungen und Zinserträge aus Darlehen zur Finanzierung langfristiger öffentlicher Infrastrukturprojekte von der Definition der Zinsaufwendungen und Zinserträge ausgenommen und unterliegen damit nicht der Zinsschranke und auch nicht der Ermittlung des verrechenbaren EBITDA. Durch diese Vorschrift wird die bisherige Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung[2] ersetzt. § 4h Abs. 6 EStG beruht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. b, Unterabs. 2 und 3 der ATAD 1,[3] wonach solche Zinsaufwendungen und -erträge aus der Zinsschranke ausgenommen werden können. Deutschland hat von dieser Möglichkeit in § 4h Abs. 6 EStG Gebrauch gemacht.

 

Rz. 213

Die Regelung betrifft Zinsaufwendungen und Erträge aus bestimmten Darlehen. In persönlicher Hinsicht erfasst die Vorschrift daher sowohl Zinsschuldner als auch Zinsgläubiger. Die Darlehen müssen zur Finanzierung langfristiger öffentlicher Infrastrukturprojekte verwendet worden sein. Auffällig ist, dass nur die Projekte "langfristig" sein müssen, nicht die Darlehen. Die Vorschrift ergreift also auch kurzfristige Darlehen zur Finanzierung langfristiger Projekte. Art. 4 Abs. 4 ATAD 1 bezieht sich auf "überschüssige Fremdkapitalkosten", womit nach der Definition in Art. 2 Nr. 2 ATAD 1 der Überschuss der Zinsaufwendungen einschließlich der gleichwertigen Aufwendungen und Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Kapital über die Zinserträge einschließlich der wirtschaftlich gleichwertigen steuerbaren Erträge gemeint sind. Abs. 6 bezieht sich entsprechend auf den Nettozinsaufwand.

 

Rz. 214

Es muss sich um die Finanzierung langfristiger öffentlicher Infrastrukturprojekte handeln. Öffentliche Infrastrukturprojekte sind Projekte aus dem Bereich des Verkehrs, der Umwelt, der Kultur, Bildung, Gesundheit und Wohnungsbau. Diese Projekte müssen langfristig verfolgt werden, sich also über mehrere Jahre erstrecken. Insbesondere erfasst werden damit Bauprojekte. Ausgeschlossen ist damit die Finanzierung laufender Aufwendungen. Die Darlehen müssen aufgrund allgemeiner Förderbedingungen unmittelbar oder mittelbar aus öffentlichen Haushalten gewährt werden. Es muss sich bei den Fördermitteln um Mittel der EU, von Bund, Ländern Gemeinden oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften handeln oder von steuerbefreiten Einrichtungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG (Kreditinstitute und Förderbanken des Bundes und der Länder), oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG (Bürgschaftsbanken) oder § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG (Wirtschaftsförderungsgesellschaften).[4]

 

Rz. 215

§ 4h Abs. 6 S. 2 EstG enthält als weitere Voraussetzung einen mehrfachen EU-Bezug. Sämtliche durch das Infrastrukturprojekt geschaffenen Vermögenswerte müssen in einem Mitgliedstaat der EU belegen sein. Außerdem muss der Projektbetreiber in einem Mitgliedstaat der EU ansässig sein, also dort seinen Sitz oder seine Geschäftsleitung haben. Die Ansässigkeit richtet sich nach den Bestimmungen des jeweiligen DBA, sodass die Ansässigkeit nach diesem DBA in einem Mitgliedstaat der EU belegen sein muss. Schließlich müssen die Einkünfte aus dem Infrastrukturprojekt in einem Mitgliedstaat der EU der Besteuerung unterliegen. Dies betrifft die Einkünfte aus dem Infrastrukturprojekt, nicht die Zinserträge aus der Finanzierung. Die Einkünfte unterliegen der Besteuerung, wenn sie in einem EU-Staat steuerbar sind und daher in diesem Staat in die Ermittlung des zu besteuernden Einkommens einbezogen werden. Nicht maßgebend ist, wenn sie letztlich nicht zu einer Erhöhung der Steuer führen, weil ein Ausgleich mit Verlusten erfolgt oder ein Freibetrag oder eine Freigrenze eingreifen.

Hinzuweisen ist darauf, dass der EU-Bezug nicht auf die EWG-Staaten ausgedehnt worden ist. Die Finanzierung von Infrastrukturprojekten in Norwegen, Island und Liechtenstein fallen also nicht unter die Regelung.

 

Rz. 216

Die objektive Beweislast für das Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen trägt der Stpfl., der sich auf diese Regelung beruft.

 

Rz. 217

Rechtsfolge ist, dass die Nettozinsaufwendungen aus der Finanzierung der genannten Infrastrukturprojekte nicht der Zinsschranke unterliegen, also uneingeschränkt steuerlich abzugsfähig sind. Ergänzend wird in § 4h Abs. 6 S. 3 EStG bestimmt, dass in diesem Fall auch Aufwendungen und Erträge bei der Ermittlung des verrechenbaren EBITDA nicht berücksichtigt werden.

Die Regelung des § 4h Abs. 6 EStG ist zwingend, d. h. dem Stpfl. steht kein Wahlrecht zur Anwendung des Abs. 6 zu.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?