Rz. 83
Bei der Ermittlung, ob eine niedrige Besteuerung vorliegt, sind sämtliche Regelungen zu berücksichtigen, die sich auf die Besteuerung der Lizenzeinnahmen auswirken. Der Gesetzestext zählt in diesem Zusammenhang exemplarisch (also nicht abschließend) folgende Regelungsmechanismen auf, die eine Niedrigbesteuerung der Einnahmen evozieren können:
- Steuerliche Kürzungen,
- Befreiungen,
- Gutschriften oder Ermäßigungen.
Rz. 84
Ausweislich der Gesetzesbegründung kann eine niedrige Besteuerung der Einnahmen sich insbesondere daraus ergeben, dass der auf Lizenzeinkünfte anzuwendende Steuersatz niedriger ist als der Regelsteuersatz oder dass Lizenzeinnahmen steuerlich begünstigt sind. Eine solche steuerliche Begünstigung der Lizenzeinnahmen kann anzunehmen sein, wenn diese selbst ganz oder teilweise steuerfrei sind oder eine anderweitige Begünstigung auf die Einnahmen Bezug nimmt (z. B. ein an die Höhe der Lizenzeinnahmen geknüpfter fiktiver Betriebsausgabenabzug).
Rz. 85
Die Gesetzesbegründung enthält folgende Fallbeispiele mit unterschiedlichen Konstellationen, die zu einer schädlichen Niedrigbesteuerung führen können:
Beispiel 1 (Präferenzsteuersatz):
Der in Staat A ansässige Gläubiger erzielt Lizenzeinnahmen von 100 EUR und hat damit in Zusammenhang stehende, abziehbare Betriebsausgaben von 20 EUR. Der von der Regelbesteuerung abweichende, niedrigere Steuersatz im Staat A beträgt 10 %.
Lösung: Die Belastung durch Ertragsteuern i. S. d. § 4j Abs. 2 EStG beträgt 10 %. Die Höhe der tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben hat aufgrund der einnahmebezogenen Betrachtung hierauf keinen Einfluss.
Beispiel 2 (Steuerbefreiung):
Der in Staat B ansässige Gläubiger erzielt Lizenzeinnahmen von 100 EUR. Der auch auf die Lizenzeinnahmen anzuwendende Regelsteuersatz in Staat B beträgt 30 %, allerdings sind Lizenzeinnahmen zu 50 % steuerfrei.
Lösung: Die Belastung durch Ertragsteuern i. S. d. § 4j Abs. 2 EStG beträgt 15 % (50 % von 30 %). Die Höhe der tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben ist auch hier ohne Einfluss.
Beispiel 3 (fiktiver Betriebsausgabenabzug):
Der in Staat C ansässige Gläubiger erzielt Lizenzeinnahmen von 100 EUR. Der auch auf die Lizenzeinnahmen anzuwendende Regelsteuersatz in Staat B beträgt 30 %, allerdings erlaubt der Staat C den Abzug fiktiver Betriebsausgaben i. H. v. 60 % der Lizenzeinnahmen.
Lösung: Die Belastung durch Ertragsteuern i. S. d. § 4j Abs. 2 EStG beträgt 12 % (40 % von 30 %). Die Höhe der tatsächlich angefallenen, im Staat C ebenfalls abziehbaren Betriebsausgaben ist auch hier ohne Einfluss.
Rz. 86
Aus der Gesetzesbegründung und den dort gegebenen Fallbeispielen kann man schließen, dass für die Ermittlung der Niedrigbesteuerung der Lizenzeinnahmen nach § 4j Abs. 2 S. 2 EStG nur solche steuermindernde Sonderregelungen berücksichtigt werden sollen, die speziell auf Lizenzeinnahmen bzw. -einkünfte zugeschnitten sind. Eine Begrenzung auf Spezialregelungen für Lizenzeinnahmen bzw. -einkünfte kann dem Gesetzeswortlaut jedoch nicht ohne Weiteres entnommen werden. Hiernach sind vielmehr sämtliche Regelungen zu berücksichtigen, die eine von der Regelbesteuerung abweichende niedrige Besteuerung der Lizenzeinnahmen bewirken. In Betracht kommen – zumindest dem nach Wortlaut von § 4j Abs. 2 S. 2 EStG – auch solche Vorzugsregelungen (inkl. steuerlichen Kürzungen, Befreiungen, Gutschriften oder Ermäßigungen), die auch andere Einkommensbestandteile betreffen können und nicht auf die Begünstigung von Lizenzeinkünften beschränkt sind.