Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 4
Erhält ein in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges Unternehmen von einem in einem anderen EU-Staat ansässigen Unternehmen, das mit ihm verbunden ist, Zins- oder Lizenzzahlungen, muss der ausl. Quellenstaat das deutsche Unternehmen von der Quellensteuer befreien und darf die Zins- und Lizenzzahlungen auch nicht in eine Veranlagung des deutschen Unternehmens unter der beschränkten Steuerpflicht einbeziehen. Entsprechendes gilt, wenn eine in der Bundesrepublik Deutschland belegene Betriebsstätte eines in einem EU-Staat ansässigen Unternehmens diese Zins- und Lizenzzahlungen erhält. Diese Regelung ist ausgedehnt worden auf Schweizerische Unternehmen als Leistende der Zins- und Lizenzzahlungen sowie auf deutsche Betriebsstätten eines Schweizerischen Unternehmens als Empfangende der Zins- und Lizenzzahlungen. Zu den Begriffen des "verbundenen Unternehmens" vgl. § 50g EStG Rz. 49ff; zum Begriff der Betriebsstätte vgl. § 50g EStG Rz. 43.
Rz. 5
Die Steuerbefreiung greift nur ein, wenn die Zahlungen zwischen Unternehmen erfolgen, die in der EU bzw. der Schweiz ansässig sind, oder zwischen in der EU bzw. der Schweiz belegenen Betriebsstätten von in der EU bzw. der Schweiz ansässigen Unternehmen. Einzelheiten zum räumlichen Anwendungsbereich vgl. § 50g EStG Rz. 16. Dem Nachweis der Ansässigkeit des Unternehmens bzw. der Belegenheit der Betriebsstätte dient die Bescheinigung nach § 50h EStG.
Danach hat das für die Besteuerung zuständige FA (§ 20 AO) dem Unternehmen zu bescheinigen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist. Das Unternehmen muss dazu die in § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG aufgeführte Rechtsform aufweisen; vgl. § 50g EStG Rz. 49.
Rz. 6
"Ansässigkeit" ist i. S. d. § 50g Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu verstehen. Das bedeutet, dass es nicht genügt, dass das Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Es muss im Fall der Doppelansässigkeit hinzukommen, dass das Unternehmen nicht nach der "tie-breaker-rule" des einschlägigen DBA als in einem anderen Staat ansässig gilt.
Rz. 7
Entsprechendes gilt für die Belegenheit von Betriebsstätten.
Rz. 8
Bescheinigt wird nur die Ansässigkeit bzw. Belegenheit im Inland, nicht sonstige Voraussetzungen. Die Bescheinigung der Ansässigkeit erfasst aber auch, dass das Unternehmen der deutschen KSt ohne Steuerbefreiung unterliegt. Die Bescheinigung nach § 50h EStG können nur "Unternehmen und Betriebsstätten i. S. d. § 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG" beantragen; das sind nur Unternehmen, die der KSt ohne allgemeine Befreiung unterliegen. Nicht der KSt unterliegende oder steuerbefreite Unternehmen können die Bescheinigung daher nicht beantragen, auf sie ist § 50h EStG nicht anwendbar.
Rz. 9
Nicht bescheinigt werden kann dagegen, dass das Unternehmen bzw. die Betriebsstätte "Nutzungsberechtigter" nach § 50h Abs. 3 Nr. 1 EStG ist. § 50h EStG verweist nur auf § 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG, nicht auf Nr. 1. Diese Frage ist vom FA des Quellenstaats zu prüfen und zu entscheiden.
Rz. 10
Der Wortlaut des § 50h EStG, der nur auf das die Zinsen oder Lizenzgebühren empfangende Unternehmen bzw. die empfangende Betriebsstätte abstellt, ist zu eng. Für die Anwendung der Steuerbefreiung genügt es nicht, dass das Unternehmen im Inland ansässig bzw. die Betriebsstätte im Inland belegen ist. In zwei Fällen sind darüber hinausgehende Bescheinigungen zum Nachweis erforderlich:
- Der erste Fall liegt vor, wenn die Zahlungen an eine Betriebsstätte erfolgen. Dann genügt es nicht, dass die Betriebsstätte in der EU bzw. der Schweiz belegen ist; vielmehr muss auch das Trägerunternehmen in der EU bzw. der Schweiz belegen sein. Wenn daher ein in Deutschland ansässiges Unternehmen eine Betriebsstätte in der EU bzw. der Schweiz unterhält und diese Betriebsstätte begünstigte Zins- und Lizenzzahlungen erhält, genügt eine Belegenheitsbescheinigung der ausl. Finanzbehörde für die Betriebsstätte nicht; es ist vielmehr auch eine Bescheinigung des für das Unternehmen zuständigen FA erforderlich, dass das Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist.
- Der zweite Fall liegt vor, wenn die Zins- und Lizenzzahlungen zwischen Schwestergesellschaften erfolgen. In diesem Fall muss auch das Mutterunternehmen in der EU bzw. der Schweiz belegen sein (vgl. § 50g EStG Rz. 71ff.). Hält daher ein in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges Unternehmen Beteiligungen von mindestens 25 % an zwei in anderen EU-Staaten oder in der Schweiz ansässigen Tochtergesellschaften und erfolgen zwischen diesen Tochtergesellschaften begünstigte Zins- und Lizenzzahlungen, ist für die Steuerbefreiung nicht nur eine Ansässigkeitsbescheinigung der ausl. Finanzbehörde für die empfangenden Tochtergesellschaften erforderlich, sondern auch eine Ansässigkeitsbescheinigung des deutschen FA für die Muttergesellschaft. Trotz des insoweit abweichenden Wortlauts des § 50h EStG sind auch diese Bescheinigungen von der deutschen Finanzbehörde zu erteilen, da anderenfalls die Zin...