Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 77
Um die Betriebsgrößengrenzen zu umgehen, können mehrere Gesellschafter mit jeweiligen Beteiligungen von bis zu 10 % mehrere Kapitalgesellschaften gründen und hierdurch die Rücklage für Existenzgründer mehrfach in Anspruch nehmen.
Die 10 natürlichen Personen G 1 bis G 10 (jeweils Existenzgründer) gründen für ihre gewerblichen Tätigkeiten 10 verschiedene GmbHs. An jeder GmbH sind G 1 bis G 10 nur zu jeweils 10 % beteiligt.
Jede GmbH kann eine Rücklage von max. 307.000 EUR (Höchstbetrag gem. § 7g Abs. 7 Nr. 2 EStG a. F.) bilden, insgesamt also 3,07 Mio. EUR. Die Gesellschafter behalten trotz der zahlreichen Beteiligungen ihre Existenzgründerqualität, weil sie an keiner Kapitalgesellschaft zu mehr als 10 % beteiligt sind und § 7g Abs. 7 EStG a. F. nicht auf die Anzahl der Beteiligungen abstellt. Schädlich wäre lediglich, wenn sich eine der genannten GmbHs selbst an einer anderen GmbH beteiligen würde. Die 10 %-Grenze wäre dann überschritten, weil unmittelbare und mittelbare Beteiligungen zusammenzurechnen sind. Ist z. B. bei mehreren ganz oder teilweise personenidentischen (Schwester-)Kapitalgesellschaften einer der Gesellschafter zu mehr als 10 % beteiligt, findet § 7g Abs. 7 EStG a. F. nur auf die zuerst gegründete Kapitalgesellschaft Anwendung. Sobald die Existenzgründereigenschaft einer der beteiligten Gesellschafter zu bejahen ist, sind alle später gegründeten Gesellschaften keine Existenzgründer.
Rz. 78
Im Fall des Austritts des letzten Nichtexistenzgründers wird eine bislang nicht mögliche Existenzgründerrücklage mit Wirkung für die Zukunft innerhalb des verbleibenden Begünstigungszeitraums zulässig. Eine Überprüfung der Zulässigkeit einer Rücklagenbildung muss also sowohl zulasten als auch zugunsten der Gesellschaft erfolgen. Nach § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 3 EStG a. F. müssen nämlich alle Gesellschafter die persönlichen Voraussetzungen des § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 1 EStG a. F. erfüllen. Wie sich das Ausscheiden eines Gesellschafters ohne Existenzgründerqualität aus der Gesellschaft auswirkt, beantwortet das Gesetz indes nicht. Die Gesellschaft erlangt durch das Ausscheiden – evtl. erstmals – die Eigenschaft eines Existenzgründers. Mangels abweichender gesetzlicher Regelung ist die Beteiligung eines Nicht-Existenzgründers nicht auch für zukünftige Veranlagungszeiträume schädlich, vielmehr sind die Verhältnisse des einzelnen Wirtschaftsjahrs maßgeblich. Die Situation bei Kapital- und Personengesellschaften ist nämlich anders als bei natürlichen Personen. § 7g Abs. 7 S. 1 EStG a. F. spricht lediglich von der Rücklagenbildung des Existenzgründers im Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung und den fünf folgenden Wirtschaftsjahren. Eine natürliche Person als Betriebsinhaber erfüllt also, wenn die Existenzgründereigenschaft bejaht wurde, im gesamten sechsjährigen Gründungszeitraum dieses Merkmal und behält ihre Existenzgründereigenschaft auch die folgenden Jahre bei. Lediglich im Hinblick auf einen später gegründeten zweiten Betrieb ist sie nicht begünstigt (betriebsbezogene Betrachtung; vgl. Rz. 9).
Bei Kapital- und Personengesellschaft ist die Existenzgründerqualität hingegen vom jeweiligen Gesellschafterbestand abhängig. Sie sind Existenzgründer, wenn alle Gesellschafter die Merkmale eines Existenzgründers (§ 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 1 EStG a. F.) erfüllen. Der Ein- oder Austritt kann daher – innerhalb des sechsjährigen Gründungszeitraums einer neu gegründeten Gesellschaft – dazu führen, dass die Existenzgründereigenschaft erstmalig vorliegt oder fehlt. Dies führt allerdings nicht dazu, dass sich der Gründungszeitraum verlängert. Der Gründungszeitraum beginnt ab Gründung der Gesellschaft und endet fünf Jahre nach Ablauf des Gründungsjahrs – unabhängig davon, ob die Gesellschaft Existenzgründerqualität aufweist. Eine bereits seit 10 Jahren bestehende und ihren Geschäftsbetrieb ununterbrochen fortführende Kapitalgesellschaft fällt somit auch dann nicht unter § 7g Abs. 7 EStG a. F., wenn sämtliche Anteile an ihr veräußert werden und die Anteilserwerber die persönlichen Voraussetzungen des § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 1 EStG a. F. erfüllen.
Y und Z (Existenzgründer) haben zum 1.1.05 die Z-GmbH gegründet und sind zu jeweils 50 % beteiligt. Y veräußert seine Anteile zum 1.1.06 an X, der noch bis zum 31.12.05 an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt war.
Die Z-GmbH kann im Jahr 05 (Gründungsjahr) eine Rücklage gem. § 7g Abs. 7 EStG a. F. bilden, weil die Gesellschafter Y und Z und demzufolge auch die Z-GmbH Existenzgründer waren. Ab Eintritt des Nicht-Existenzgründers X in die Z-GmbH erfüllen nicht mehr alle Gesellschafter die Voraussetzungen des § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 1 EStG a. F. Dabei ist die Dauer der Beteiligung des X nicht relevant, entscheidend sind jeweils die Verhältnisse zum Bilanzstichtag (vgl. Rz. 76). Ab dem Wirtschaftsjahr 2006 kann die Z-GmbH keine Rücklage mehr nach § 7g Abs. 7 EStG a. F. bilden. Die Existenzgründereigenschaft ist also in jedem Wirtschaftsjahr des sechsjäh...