Rz. 109

Trotz Einstimmigkeitsabrede in der Besitzgesellschaft bzw. -gemeinschaft kann Beherrschungsidentität und damit personelle Verflechtung bestehen, wenn[1]

  • das Besitzunternehmen durch eine Person oder Personengruppe faktisch beherrscht wird (Rz. 134ff.).
  • Rechtsmissbrauch i. S. v. § 42 AO vorliegt[2]
  • es sich bei dem Nur-Besitzgesellschafter um eine Kapitalgesellschaft handelt, die wiederum von den Doppelgesellschaftern beherrscht wird. Zur mittelbaren Beherrschung vgl. Rz. 128ff.
  • einem Mehrheitsgesellschafter die alleinige Geschäftsführung (und Vertretung) übertragen ist und diese die Möglichkeit zur Verfügung über das an die Betriebsgesellschaft vermietete oder verpachtete Wirtschaftsgut einschließt.[3] Dem steht es nicht entgegen, wenn der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer einer GbR das Betriebsunternehmen nur mit einem anderen von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter des Besitzunternehmens beherrscht.[4] Über die bisherige Rspr. hinaus, bei der der zum Geschäftsführer bestimmte GbR-Gesellschafter – ggf. gemeinsam mit weiteren Personen, die ebenfalls an der Betriebs-GmbH beteiligt waren – zugleich die Anteilsmehrheit an der Besitz-GbR inne hatte, betont der BFH[5], dass mittels einer Vereinbarung nach § 710 BGB nicht nur das Einstimmigkeitsprinzip, sondern zugleich auch das steuerliche Erfordernis einer Mehrheitsbeteiligung an der Besitz-GbR durch die, die Betriebs-GmbH beherrschenden Personen überspielt werden könne.
 

Rz. 110

Bezieht sich die Einstimmigkeitsabrede lediglich auf die Geschäfte außerhalb des täglichen Lebens, wird dadurch die personelle Verflechtung nicht ausgeschlossen (vgl. auch Rz. 107).[6] Es genügt, wenn sich das Mehrheitsprinzip lediglich auf die Geschäfte des täglichen Lebens erstreckt. Demnach wird nicht verlangt, dass das Mehrheitsprinzip auch ausdrücklich für die Begründung, Änderung und Beendigung des Nutzungsverhältnisses mit der Betriebsgesellschaft gilt; hier kann auch Einstimmigkeit geboten sein.[7] Es gilt die Situation zu beurteilen, die nach Begründung der Betriebsaufspaltung angetroffen wird, gleichgültig, wie es zu ihr letztlich gekommen ist.[8] Nach Begründung der Betriebsaufspaltung ist die (weitere) Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks durch die Besitzgesellschaft bzw. -gemeinschaft an die Betriebskapitalgesellschaft zu den Geschäften des täglichen Lebens und nicht mehr zu den Grundlagengeschäften zu rechnen, sodass hierfür regelmäßig kein Einstimmigkeitserfordernis besteht.[9]

 

Rz. 111

Vorgenannte Grundsätze gelten entsprechend bei gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung einer qualifizierten Mehrheit, soweit diese ohne den Nur-Besitzgesellschafter bzw. -gemeinschafter nicht erreicht werden kann.[10]

[1] Hierzu z. B. auch Wacker, in Schmidt, EStG, 2023, § 15 EStG Rz. 825 m. w. N.
[2] BFH v. 7.12.1999, VIII R 50/96, unter II. 2., BFH/NV 2000, 601.
[3] BFH v. 24.8.2006, IX R 52/04, BFH/NV 2007, 318; BFH v. 1.7.2003, VIII R 24/01, BFH/NV 2003, 1266; Schulze zur Wiesche, WPg 2004, 754; ablehnend Gluth, in H/H/R, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 802.
[4] Schulze zur Wiesche, WPg 2004, 755.
[7] OFD Frankfurt/M. v. 10.5.2012, S 2240 A – 28 – St 219, Tz. 2.2.7.II.3.; Wacker, in Schmidt, EStG, 2023, § 15 EStG Rz. 823; Kempermann, GmbHR 2005, 320; a. A. Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, 2020, Rz. 327 ; Rätke, StuB 2000, 464; Gschwendtner, DStR 2000, 1137f.
[8] BFH v. 21.8.1996, X R 25/93, BStBl II 1997, 44; Kempermann, GmbHR 2005, 320; a. A. Söffing, BB 1998, 397ff.
[10] Krumm, in Kirchhof/Seer, EStG, 2021, § 15 EStG Rz. 92; Wacker, in Schmidt, EStG, 2023, § 15 EStG Rz. 825.

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