Rz. 206
In der Planung und Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge ist der Fokus nicht nur auf die SchenkSt zu richten. Denn Vermögensübertragungen haben regelmäßig auch einkommensteuerliche Auswirkungen, die mitunter erhebliche ungewollte, überraschende und ggf. existenzgefährdende Steuerbelastungen zur Folge haben können.
Rz. 207
Erfolgt die vorweggenommene Erfolgeunentgeltlich, d. h. ohne Gegenleistung, handelt es sich um eine Schenkung. Die voll unentgeltliche Übertragung des Unternehmens bzw. der Unternehmensanteile ist einkommensteuerlich neutral möglich (§ 6 Abs. 3 EStG, § 17 Abs. 2 S. 5 EStG). Mangels Veräußerung werden bei dem Übergeber keine stillen Reserven aufgedeckt und mangels Anschaffung entstehen beim Übernehmer keine Anschaffungskosten.
Rz. 207a
Ein bei der Übertragung vorbehaltener Nießbrauch ist einkommensteuerlich nicht als eine Gegenleistung für die Übertragung anzusehen, d. h. die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist für einkommensteuerliche Zwecke ein unentgeltlicher Vorgang. Dennoch ist die Übertragung von Wirtschaftsgütern eines Einzelunternehmens mit stillen Reserven unter Nießbrauchsvorbehalt nach der Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung nicht gem. § 6 Abs. 3 EStG steuerlich neutral möglich, wenn der Nießbraucher dem Übertragenden die Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit erlaubt. Um eine Buchwertübertragung gem. § 6 Abs. 3 EStG sicherzustellen, muss der Übertragende im Zuge der Betriebsübergabe seine gewerbliche Tätigkeit in dem Betrieb einstellen.
Rz. 207b
Die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) und Kapitalgesellschaften (i. S. d. § 17 EStG) unter Nießbrauchsvorbehalt löst grundsätzlich keine ESt aus. Bei einer Übertragung eines Mitunternehmeranteils steht der Nießbrauchsvorbehalt der Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der gesamte Mitunternehmeranteil (einschließlich Sonderbetriebsvermögen) übertragen wird und der neue Gesellschafter (auch) Mitunternehmer wird. Entsprechend ist es – anders als bei Einzelunternehmen – nicht erforderlich, dass der Übertragende vollständig als Mitunternehmer ausscheidet.
Rz. 207c
Erfolgt die Übertragung des Vermögens gegen Versorgungsleistungen i. S. d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG handelt es sich – ungeachtet der Verpflichtung des Übernehmers, dem Übergeber lebenslange Geldleistungen zu gewähren – um eine unentgeltliche Vermögensübertragung. Sie ist damit einkommensteuerlich neutral für den Übergeber möglich (§ 6 Abs. 3 EStG, § 17 Abs. 2 S. 5 EStG).
Rz. 208
Im Gegensatz zum Vermögensübergang durch vorweggenommene Erbfolge ist ein Vermögensübergang durch voll entgeltliches Geschäft anzunehmen, wenn Leistung und Gegenleistung wie unter fremden Dritten kaufmännisch gegeneinander abgewogen sind. Dabei ist es nicht relevant, in welcher Form die Gegenleistung erfolgt. Entgelt kann z. B. die Übernahme einer privaten Verbindlichkeit, die Verpflichtung zur Leistung von Abstandszahlungen (an den Übergeber) oder Gleichstellungsgeldern (an Dritte, z. B. Geschwister), aber auch die Gewährung von wiederkehrenden Bezügen sein. Bei Übertragungen gegen wiederkehrende Bezüge (Leibrente, Ratenzahlung, Zeitrente) ist der Veräußerungspreis in einen Barwert und Zinsanteil aufzuteilen, wobei für die Frage, ob ein voll entgeltliches Geschäft vorliegt, der Barwert mit dem Verkehrswert der Gegenleistung zu vergleichen ist (Rz. 174).
Rz. 209
Die vorweggenommene Erbfolge kann auch teilentgeltlich erfolgen. Teilentgeltlichkeit ist gegeben, wenn Leistung und Gegenleistung sich wertmäßig nicht ausgewogen gegenüberstehen. Im Rahmen der Unternehmensnachfolge ist dies in erster Linie bei Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG) relevant, die im Privatvermögen gehalten werden. Denn insoweit ist der Vorgang nach dem Verhältnis der Verkehrswerte in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Teil mit den entsprechenden steuerlichen Folgen aufzuteilen (Trennungstheorie). Für den Fall, dass ein Einzelunternehmen oder Mitunternehmeranteile teilentgeltlich übertragen werden, ist das vereinbarte Entgelt dem (anteiligen) Kapitalkonto gegenüberzustellen. Überschreitet das Entgelt den Buchwert des Kapitalkontos, liegt ein einheitlich entgeltliches Geschäft vor. Unterschreitet es den Buchwert, ist der Vorgang als unentgeltlich zu behandeln (Einheitstheorie).
Rz. 210–213 einstweilen frei