Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war, wobei § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG als Anteile an einer Kapitalgesellschaft Aktien, GmbH-Anteile, Genussscheine oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen sowie Anteile an einer optierenden Gesellschaft i.S.d. § 1a KStG definiert. Sollten entspr. Beteiligungen oder Anteile dem Betriebsvermögen zuzuordnen sein, ist die Besteuerung der stillen Reserven ohnehin gewährleistet, so dass § 17 EStG bereits dem Grund nach nur dem Privatvermögen zuzuordnende Anteile erfasst.
Nicht bereits in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, sondern dann erst in § 17 Abs. 7 EStG werden Anteile an einer Genossenschaft i.S.d. § 1 GenG sowie an einer Europäischen Genossenschaft als Anteile i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert. Nach h.M. werden die Anteile aufgrund ihrer Vergleichbarkeit den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gleichgestellt, vgl. Trossen in BeckOK/EStG, 14. Ed. 1.10.2022, § 17 Rz. 609. Nach Vogt in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 163. EL 8/2022, § 17 EStG Rz. 215, wird durch die Einbeziehung dem Umstand Rechnung getragen, dass Anteile an nicht nach dt. Recht gegründeten Genossenschaften und der EU-SCE grundsätzlich veräußerbar sind (s. BT-Drucks. 16/2710, II. Bes. Teil, z. Art. 1 Nr. 5 lit. c Abs. 7) und ohne die Neuregelung möglicherweise eine Besteuerungslücke entstehen könnte (Genossenschaftsanteil als Investitionsobjekt). Durch die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf die Veräußerungsgewinne von wesentlichen Genossenschaftsanteilen gem. § 3 Nr. 40c i.V.m. § 3c Abs. 2 und 17 Abs. 2 EStG wird die systembedingte Gleichstellung zur Kapitalgesellschaft finalisiert.
Es ist somit eindeutig zu erkennen, dass der Gesetzgeber bei der ertragsteuerlichen Betrachtung davon ausgeht, dass Wertsteigerungen über die Behaltensdauer von Genossenschaftsanteilen entstehen und durch Veräußerungen und veräußerungsgleiche Tatbestände auch realisiert werden können. Dies impliziert unwiderlegbar die (konsequente und folgerichtige) Auffassung, dass Genossenschaftsanteilen eben schon ein ggf. auch weit höherer Wert als der bloße Nennwert innewohnen kann. Würde die Sicht der Finanzverwaltung zur Systematik des § 17 EStG hier lediglich auf die Veräußerung der den reinen Nennwert umfassenden Anteile an Genossenschaftsbanken oder Wohnungsgenossenschaften abzielen, wäre ein Verkaufspreis über dem Nennwert und damit auch über die Anschaffungskosten hinaus schwerlich erzielbar. Zudem ist in § 17 EStG der Grundgedanke ersichtlich, dass Genossenschaftsanteile materiell bzw. den Vermögenszuwachs betreffend Anteilen an Kapitalgesellschaften gleichgestellt werden sollen.
Bemerkenswert ist jedoch ebenfalls, dass der Gesetzgeber auch für Genossenschaftsanteile die Mindestbeteiligungsquote des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG von 1 % übernimmt, so dass faktisch der unnötige Verwaltungsaufwand für die millionenfach bestehenden Kleinstanteile an den inländischen Genossenschaftsbanken a priori vermieden wird, wobei hier ohnehin regelmäßig kein Veräußerungsgewinn auf Grund von Nennwertrück- oder -übergaben entstanden wäre. Zutreffend ist nach Trossen in BeckOK/EStG, 14. Ed. 1.10.2022, § 17 Rz. 609, bei der Berechnung der Quote bei Anteilen an Genossenschaften auf die Höhe des tatsächlich gezeichneten Geschäftsanteils des Genossenschaftsmitglieds abzustellen. Von dem Geschäftsanteil des Genossen abzugrenzen ist das Geschäftsguthaben des Genossen, das durch hinzuzuschreibende Gewinne oder abzusetzende Verluste schwanken kann. Bei einer relevanten Veräußerung sind natürlich die Veräußerungserlöse für alle erhaltenen Anteile und Guthaben zu addieren.
Im Bereich von unentgeltlichen Übergaben – also insb. Erbfällen und Schenkungen – ist § 17 EStG ohnehin a priori nicht einschlägig, da nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in diesen Fällen der oder bei Kettenübertragungen die Rechtsnachfolger die Anschaffungskosten und Behaltensdauer der Rechtsvorgänger übernehmen.
Abschließend ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber wohl bei der ertragsteuerlichen Erfassung von Vermögenszuwächsen, die bei der Veräußerung von Genossenschaftsanteilen realisiert werden, deren Besteuerung sicherstellen wollte, es gleichermaßen aber legislativ unterlassen hat, den möglicherweise hinter derartigen Anteilen stehenden Vermögenswert über den Nennwert hinaus der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu unterwerfen. Gedankenlogisch ergibt diese Entscheidung keinen Sinn, da ja die Grundannahme der Erfassung der Beteiligungen im § 17 EStG sein muss, dass ebendiese einen über den Nennwert hinausgehenden Wert haben müssen, da andernfalls immer steuerneutrale Veräußerungen anzunehmen wären, zumal der Nennwert sowohl Anschaffungskosten als auch Veräußerungspreis darstellen müsste. In dieser Logik bleibend wäre es k...