Auf den ersten Blick mag sich nicht erschließen, weshalb o.g. BMF (BMF v. 16.11.2021 – IV C 5 – S 2347/21/10001 :006, EStB 2021, 19 [Apitz]) zur lohnsteuerlichen Behandlung der Überlassung bzw. Übertragung von Vermögensbeteiligungen i.S.d. § 3 Nr. 39, § 19a EStG ab 2021 Rückschlüsse auf die Bewertung von Genossenschaftsanteilen zulassen sollte. In Rz. 18 heißt es jedoch explizit zur Bewertung derartiger Vermögensbeteiligungen:
"Nach § 3 Nr. 39 Satz 4 EStG ist die Vermögensbeteiligung mit dem gemeinen Wert bei der Überlassung anzusetzen. Die Vermögensbeteiligung kann aber auch mit dem gemeinen Wert bei Abschluss des für beide Seiten verbindlichen Veräußerungsgeschäfts angesetzt werden (BFH-Urteil vom 7. Mai 2014 – VI R 73/12, BStBl. II S. 904). Der Wert der Vermögensbeteiligung bestimmt sich nach dem Bewertungsgesetz und nicht nach dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort, wie er nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sonst für die nicht in Geld bestehenden Einnahmen im Regelfall maßgeblich ist."
In Rz. 9 des BMF-Schreibens v. 16.11.2021 wird weiter ausgeführt, dass der gemeine Wert nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG im Allgemeinen durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Für Wertpapiere und (Unternehmens-)Anteile kommt als lex specialis § 11 BewG in der folgenden Bewertungsreihenfolge zur Anwendung:
- Ansatz des Börsenkurses zum Stichtag (§ 11 Abs. 1 BewG),
- Ableitung des gemeinen Wertes aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BewG),
- Wertermittlung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BewG) oder Wertermittlung nach einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 BewG; hierunter fallen Gutachten und Wertermittlungen, z.B. nach IDW S 1, oder branchenübliche Bewertungsverfahren) oder Wertermittlung anhand des vereinfachten Ertragswertverfahrens (§ 11 Abs. 2 Satz 4 BewG i.V.m. §§ 199 ff. BewG).
- Der Substanzwert als Mindestwert darf (außer bei Ansatz des Börsenkurses oder Ableitung aus Verkäufen unter fremden Dritten) nicht unterschritten werden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG).
Nach Auffassung des BMF-Schreibens v. 16.11.2021 gilt dieses Bewertungsregime für Aktien, Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen, Namensschuldverschreibungen, Genussscheine und GmbH-Beteiligungen. Sodann heißt es immer noch in Rz. 19 des BMF-Schreibens v. 16.11.2021:
"Bei Genossenschaftsanteilen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g 5. VermBG), (typisch) stillen Beteiligungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i 5. VermBG), Darlehensforderungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. k 5. VermBG) und Genussrechten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. l 5. VermBG) entspricht der gemeine Wert hingegen regelmäßig dem Nennwert."
Die Einordnung seitens der Finanzverwaltung lässt erneut mit dem Einschub "regelmäßig" eine theoretische Abweichung vom Nennwert zu, ebenfalls jedoch ohne jegliche Erläuterung, in welchen Fällen oder ggf. ab welchen Wertgrenzen diese Regelbewertung nicht (mehr) anzuwenden ist. Es drängt sich somit umso mehr der Gedanke auf, dass das BMF keine Veranlassung sah oder schlichtweg versäumte, insb. auf Fälle von kleinen (bis zu 20 Mitgliedern) Genossenschaften, deren Hauptzweck die innerfamiliäre Übertragung bedeutender Vermögenswert ist, einzugehen.