Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt, Erlass v. 19.10.2023, 42 - S 2702 - 3
In dem Zuständigkeitsbereich einiger Finanzämter des Landes Sachsen-Anhalt ist ein steuerliches Gestaltungsmodell aufgetreten, das eng mit dem Genossenschaftsrecht verbunden ist. Dieses Modell wird aktiv von interessierter Seite beworben und vertrieben.
Gesellschaftsrechtliche Grundlagen
Grundlage ist die Gründung einer Genossenschaft, deren Mitglieder sich auf eine Familie im weiteren Sinne beschränken.
Eine Genossenschaft muss, um rechtlich Anerkennung durch Eintragung in das Genossenschaftsregister zu erlangen, u.a. die Voraussetzungen des 1. Abschnitts des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz - GenG) erfüllen.
Hierfür muss die obligatorische Satzung Angaben zum Zweck und dem Geschäftsbetrieb der Genossenschaft enthalten (§ 1 Abs. 1 GenG):
Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften), erwerben die Rechte einer "eingetragenen Genossenschaft" nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Es ist zu beachten, dass der Begriff der „Wirtschaft ihrer Mitglieder“ in einem sehr weiten Sinne verstanden wird. Er umfasst die gesamte private, der materiellen und ideellen Daseinsvorsorge dienende Lebenswirtschaft, also praktisch den gesamten nichtberuflichen Lebensbereich einschließlich ideeller Bedürfnisse (Dr. Andrea Althanns in: Althanns/Buth/Leißl, Genossenschafts-Handbuch, 5. Ergänzungslieferung 2023, juris, § 1 GenG, Rn. 13, m.w.N.). Es begegnet vor diesem Hintergrund gesellschaftsrechtlich keinen Bedenken, wenn eine Genossenschaft der Unterstützung der privaten Hauswirtschaft in bestimmten Belangen dienen soll.
Der genossenschaftliche Grundsatz der Selbsthilfe findet seinen Ausdruck in der Erwartung, dass die Beteiligung an der eG und die Zusammenarbeit mit ihr oder in ihr zur Befriedigung eigener (wirtschaftlicher) Bedürfnisse, insbesondere zum Nachteilsausgleich im Wettbewerb, beitragen wird. Genossenschaftliche Selbsthilfe bedeutet im Einzelnen freiwilliger Zusammenschluss der Mitglieder, Aufbringung der erforderlichen finanziellen Mittel durch die Mitglieder und die Bereitschaft, füreinander einzustehen („Einer für alle, alle für einen“) - Holthaus/Lehnhoff in: Lang/Weidmüller, Genossenschaftsgesetz, § 1 Wesen der Genossenschaft, juris, Rn. 5.
Die Förderung erfolgt dadurch, dass das Mitglied in Geschäftsverkehr mit dem genossenschaftlichen Unternehmen tritt bzw. die genossenschaftlichen Einrichtungen nutzt. Der Förderauftrag bedeutet, dass die Sach- und Dienstleistungen der Genossenschaften, die dem Zweck der Genossenschaft entsprechen (Zweckgeschäfte), unmittelbar dem Erwerb, d. h. den Einzelwirtschaften, oder der Wirtschaft, d. h. den Haushalten, der Mitglieder oder deren sozialer und kultureller Belange zugutekommen müssen. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die Zweckgeschäfte der Genossenschaft nach dem für sie maßgebenden allgemeinen Geschäftsverkehr - vorbehaltlich der Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf Nichtmitglieder - mit Mitgliedern abzuschließen sind und je nach der Art der Genossenschaft die Bereitstellung von Produktionsmitteln, von Bezugs- oder Absatzmöglichkeiten, von Spar- und Krediteinrichtungen oder sonstigen Dienstleistungen und Nutzungsmöglichkeiten zu bestmöglichen Bedingungen zum Inhalt haben. Die Mitglieder müssen die natürlichen Geschäftspartner der Genossenschaft sein. Das Unternehmen der Genossenschaft muss auf dem Grundsatz der Selbsthilfe beruhen (Dr. Andrea Althanns in: Althanns/Buth/Leißl, Genossenschafts-Handbuch, 5. Ergänzungslieferung 2023, § 1 GenG, juris, Rn. 24). Der Betrieb muss den Mitgliedern die Möglichkeit geben, seine Leistungen in Anspruch zu nehmen (Holthaus/Lehnhoff in: Lang/Weidmüller, Genossenschaftsgesetz, § 1 Wesen der Genossenschaft, juris, Rn. 18). Kennzeichnend für eine eG ist also, dass deren Mitglieder zugleich Kunden des genossenschaftlichen Unternehmens sind (sog. Identitätsprinzip) - Beuthien, AG 2006, 53-62; Beuthien, Beuthien/Wolff/Schöpflin, Genossenschaftsgesetz, Komm., 16. Aufl. 2018, § 1 Rz. 2, 22 und 29).
Der Gesellschaftszweck muss mittels eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs verfolgt werden. Ein gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nicht nur erforderlich, wenn die Genossenschaft den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder fördern will, sondern auch dann, wenn die Genossenschaft die Förderung der sozialen und kulturellen Belange ihrer Mitglieder bezweckt (BT-Ds 16/1025, S. 80). Der Gesetzgeber nennt beispielhaft Schul-, Sport- oder Mediengenossenschaften oder auch Wohnungsgenossenschaften, bei denen dies neben der Wohnungsversorgung auch ein Nebenzweck sein kann.
Als gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine planmäßige, auf Dauer angelegte unternehmerische (nicht zwingend gewerbliche) Tätigkeit mit Hilfe sachlic...