Andreas Lott, Prof. Dr. Rainer von Kiparski †
Zusammenfassung
Der Geltungsbereich der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG erstreckt sich nicht nur auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Personen, sondern auch auf die von Gütern, zumindest bei angemessener Installation, Wartung und bestimmungsgemäßem Betrieb. Außerdem ist neben der Sicherheit und entsprechender Maschinenausrüstung mit wirksamen Schutzeinrichtungen, Verkleidungen, Steuerungen und Befehlseinrichtungen sowie Maßnahmen gegen mechanische Gefahren usw. auch dafür Sorge zu tragen, dass bei bestimmungsgemäßer Verwendung zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Diese beziehen sich auf Vorgaben für die Wartung und Inspektion von Maschinen, durch die Unfallrisiken und andere Gefährdungen während der voraussichtlichen Lebensdauer der Maschine ausgeschlossen werden. Damit werden Produktüberwachung und Marktbeobachtung zu einer wichtigen Aufgabe für den Hersteller.
Das europäische Regelwerk zur Maschinensicherheit hat einen hohen Anspruch, besteht jedoch für die Betroffenen aus einer hochkomplexen und relativ undurchschaubaren Zusammenstellung von EG-Richtlinien und deren nationaler Umsetzungen und Konkretisierungen. Dass die konkreten Regelungsinhalte in europäischen, harmonisierten bzw. auch in nationalen Normen umgesetzt werden, trägt sicherlich auch nicht zur Verbesserung der Überschaubarkeit bei. Umgekehrt können jedoch die Vorteile eines solchen europaweit gültigen Regelwerks nicht hoch genug geschätzt werden, da damit eine einheitliche und verbindliche Basis für die sicherheitstechnische Gestaltung von technischen Arbeitsmitteln existiert, die in allen Mitgliedsstaaten der EU gültig ist.
Dieser Beitrag beschreibt die aktuellen Anforderungen, die jeder Hersteller von Maschinen erfüllen muss.
1 Gesetzliche Grundlagen
Die Gesetzgebung im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und der Sicherheit technischer Arbeitsmittel hat in den letzten Jahren einschneidende Änderungen erfahren. Insbesondere mit der Schaffung des gemeinsamen europäischen Marktes werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, einen beachtlichen Teil ihrer Souveränität aufzugeben.
1.1 Europäische Gesetzgebung
Primäres Ziel der Europäischen Union war und ist die wirtschaftliche Integration. Gemeinschaftliche Belange haben deshalb Vorrang vor den Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Das kommt auch bei der europäischen Gesetzgebung zum Ausdruck, die der nationalen Gesetzgebung übergeordnet ist.
Verordnungen und Richtlinien
Während Verordnungen unmittelbar gelten, sind Richtlinien vorerst hinsichtlich der darin beschriebenen Ziele für alle Mitgliedsstaaten verbindlich und müssen noch in nationales Recht umgesetzt werden. Für den Arbeitsschutz haben Richtlinien, die sich auf 2 Artikel des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stützen, besondere Bedeutung:
- Richtlinien, die auf Basis von Art. 114 AEUV verabschiedet werden. Sie dienen dazu, einen von technischen Handelshemmnissen befreiten Binnenmarkt zu schaffen. Diese Richtlinien vereinheitlichen nach und nach die bislang noch in den Mitgliedsstaaten anzutreffenden unterschiedlichen technischen Anforderungen an Produkte über die EU hinaus im gesamten europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Das hat zur Konsequenz, dass Vorschriften in den Mitgliedsstaaten zur technischen Beschaffenheit von Produkten an das einheitliche europäische Niveau angepasst werden müssen. Diese Anpassung ist wegen der verbindlichen technischen Anforderungen an Produkte inhaltsgleich vorzunehmen.
- Nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im sozialen Bereich werden auf europäischer Ebene Richtlinien erlassen, die auf eine Verbesserung der Arbeitsumwelt abzielen. Diese Richtlinien auf der Grundlage von Art. 154 AEUV streben aber keine vollständige Harmonisierung des sozialen Arbeitsschutzes auf hohem Niveau an. Die Angleichung soll vielmehr schrittweise durch das Festlegen von Mindestvorschriften erfolgen, die einen europäischen Mindeststandard definieren. Das bedeutet aber auch, dass ein höheres Arbeitsschutzniveau zulässig bleibt.
1.2 Nationale Gesetzgebung
Europäische Regelungen müssen immer in das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates umgesetzt werden. Die EU-Richtlinien zur sicherheitstechnischen Gestaltung von technischen Arbeitsmitteln wurden in Deutschland zunächst auf der Basis des Gerätesicherheitsgesetzes (GSG) umgesetzt, das am 1.5.2004 durch das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) abgelöst wurde. Am 1.12.2011 ist das neue Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) in Kraft getreten und ersetzt ohne Übergangsfristen das GPSG.
Rückblick
Das GSG trat am 1.12.1968 erstmalig in Kraft. Mit der europäischen Rechtsetzung hinsichtlich des Abbaus technischer Handelshemmnisse musste das GSG seit 1992 mehrmals überarbeitet und angepasst werden, da der weit überwiegende Teil der Erzeugnisse von EG-Richtlinien erfasst wird. Mit der Überarbeitung des Gesetzes wurden die Grundlagen für die Umsetzung der Beschaffenheitsrichtlinien nac...