Leitsatz
1. Die gewerbesteuerliche Kürzung für den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gemäß § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 2002 (i.d.F. des JStG 2007) greift auch, wenn mit den Schiffen ausschließlich Güter transportiert werden.
2. Die Kürzung gilt nur für die Seeschifffahrt. Binnenschifffahrtsunternehmen können die Begünstigung des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 2002 (i.d.F. des JStG 2007) nicht in Anspruch nehmen.
Normenkette
§ 9 Nr. 3 Sätze 2 bis 5 GewStG 2002 i.d.F. des JStG 2007, § 34c Abs. 4 EStG 1958 bis 1997, § 5a EStG 1997 i.d.F. des Seeschifffahrtsanpassungsgesetzes/2002
Sachverhalt
Die klagende GmbH ist Alleingesellschafterin und Organträgerin der A-GmbH. Jene erbrachte überwiegend Beförderungsleistungen im Bereich der Binnenschifffahrt, indem sie Rohstoffe zwischen den niederländischen bzw. belgischen Seehäfen und dem Werkshafen der B in X-Stadt (Inland) transportierte. Das FA versagte eine gewerbesteuerliche Kürzung (§ 9 Nr. 3 Sätze 2 bis 5 GewStG). Die Klage war erfolgreich (FG Düsseldorf, Urteil vom 19.9.2014, 12 K 1857/12 G, Haufe-Index 7621209).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.
Hinweis
1. Die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG ist in ihrem Satz 1 (Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt) sach- und systemgerechter Ausdruck des sog. Territorialitätsprinzips im Gewerbesteuerrecht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Sie ist – so wird es jedenfalls in der Literatur überwiegend gesehen – in ihren Sätzen 2 bis 5 aber auch "systemwidrige Teilbefreiung (und damit Subventionierung) der Schifffahrtsunternehmen" (s. nur Gosch, in Blümich, § 9 GewStG Rz. 212).
2. Im kürzlich ergangenen Urteil vom 22.12.2015, I R 40/15 (BStBl II 2016, 537, BFH/NV 2016, 1102; dazu Brandis, BFH/PR 2016, 236) hat der BFH entschieden, dass eine Weitervercharterung von Handelsschiffen beim Zweitvercharterer nur dann zur Fiktion einer ausländischen Betriebsstätte i.S.d. § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG 2002 führt, wenn dieser die Schiffe selbst ausgerüstet hat. Die Urteilsgründe enden mit dem Hinweis, es könne – da die Kürzung im Streitfall nicht anzuwenden sei – dahinstehen, ob die Betriebsstättenfiktion eine Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt und ob einer Kürzung des Gewinns das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV entgegensteht. Dieser Hinweis ist hier zu wiederholen.
3. Denn auch im Streitfall kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass der im Rahmen der Gewerbeertragsermittlung der Klägerin nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002 (Organgesellschaft als Betriebsstätte der Organträgerin) zu berücksichtigende Gewerbeertrag der Organgesellschaft nicht nach § 9 Nr. 3 Sätze 2 bis 5 GewStG 2002zu kürzen ist. Die grenzüberschreitende Binnenschifffahrt erfüllt die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht. Zuvor wird im Urteil allerdings auch festgehalten, dass die begehrte Kürzung nicht schon daran scheitert, dass mit den Schiffen ausschließlich Güter (nicht aber Personen) transportiert wurden. In Satz 4 ("Beförderung von Personen und Gütern") ist das "und" daher nicht wortlautgenau, sondern im Sinne eines "oder" zu verstehen.
4. Das die Entscheidung tragende Auslegungsergebnis (der Tatbestand erfasst nur "Seeschiffe", nicht aber "Binnenschiffe") wird unter Hinweis auf eine begriffsbezogene "Vorprägung" insbesondere systematisch und rechtshistorisch – und mit Blick auf § 34c Abs. 4 EStG 1958 bis 1997 und § 5a EStG 1997 i.d.F. des Seeschifffahrtsanpassungsgesetzes/2002 – begründet. Einzelheiten dazu sind den Urteilsgründen zu entnehmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.8.2016 – I R 60/14