Im Widerspruch zum BMF v. 15.6.2022 sei nach Ansicht des FG Baden-Württembergs unter "Gewinn" i.S.d. § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG hingegen der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zu verstehen. Eine Korrektur um außerbilanzielle Positionen wie nichtabziehbare Betriebsausgaben oder einkommensteuerfreie Einnahmen finde daher nicht statt.
Indikator für eine Einstufung als begünstigungsfähiger kleiner oder mittlerer Betrieb sei der Gewinn, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abbilde. Betriebsausgaben, die lediglich aufgrund spezieller gesetzlicher Anordnung (z.B. § 4 Abs. 4a, 5 und 5b EStG) wieder hinzuzurechnen sind, haben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gemindert. Dasselbe gilt umgekehrt für den Zufluss steuerfreier Betriebsvermögensmehrungen.
Auch unter Heranziehung der Gesetzesbegründung einer "Vereinfachung" und "zielgenauen Förderung" spreche nach Ansicht des Senats mehr dafür, unmittelbar an das in "§ 4 oder § 5" ermittelte Ergebnis anzuschließen und damit "außerbilanzielle Korrekturen der Steuerbilanz sowie Hinzu- und Abrechnungen bei der EÜR" außer Acht zu lassen.
Gegenteilige Auffassung des FG Hannover: Konträr dazu hat sich das FG Hannover fast zeitgleich der gegensätzlichen in der Literatur und im BMF v. 15.6.2022 vertretenen Auffassung angeschlossen. Bei grammatikalischer und teleologischer Auslegung nehme der Gesetzgeber nach Auffassung des Senats durch Abstellen auf "den nach § 4 bzw. § 5 EStG ermittelten Gewinn" auf die gesamte Vorschrift des § 4 EStG Bezug, also einschließlich der außerbilanziellen Korrekturen nach § 4 Abs. 4a ff. EStG.
Nach überzeugender Ansicht des FG Baden-Württemberg lasse der Wortlaut indes darauf schließen, dass Erhöhungen und Minderungen, die sich außerhalb der Gewinnermittlung vollziehen, bei der Bestimmung des Grenzwerts gerade nicht berücksichtigt bleiben sollen. Zwar könne auch ein nach "§ 4" ermittelter Gewinn die Korrekturen nach § 4 Abs. 4a ff. EStG beinhalten. Damit sei aber nicht erklärt, weshalb auch andere Korrekturen (z.B. nach § 3c Abs. 2 EStG oder § 3 Nr. 40 EStG) in die Gewinngrenze einzubeziehen wären.
Zudem spreche mehr dafür, dass der Gesetzgeber mit der Wortwahl "nach § 4 [...] ermittelter Gewinn" zum Ausdruck bringen wollte, nicht nur die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG, sondern ebenso die durch EÜR gem. § 4 Abs. 3 EStG als für Zwecke des § 7g EStG zulässige Gewinnermittlung zu bestimmen.
Divergent ist auch die Sicht der Finanzgerichte auf die Formulierung im Gesetz, dass der Gewinn nach § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ohne Berücksichtigung der IABe nach S. 1 und der Hinzurechnungen nach § 7g Abs. 2 zu berücksichtigen ist, die nach Auffassung des FG Hannover überflüssig sei, wenn der Gesetzgeber nur auf den Steuerbilanzgewinn abgestellt hätte. Für die Kollegen aus dem Süden handele es sich lediglich um eine klarstellende Regelung, der nicht entgegenstehe, (auch) andere Erhöhungen und Minderungen außerhalb der Gewinnermittlung unbeachtet zu lassen.
Abschließend seien für das FG Baden-Württemberg keine Gründe für eine unterschiedliche Auslegung des Gewinnbegriffs in § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG gegenüber denen in § 4 Abs. 4a S. 2 EStG und § 34a Abs. 2 EStG ersichtlich, für die der BFH entschieden hatte, dass insoweit nur der steuerbilanzielle Gewinn maßgeblich sein könne und außerbilanzielle Gewinnkorrekturen nicht zu berücksichtigen seien. Dem widerspricht das FG Hannover jedenfalls in Bezug auf die Rechtsprechung bezüglich des § 34a EStG und sieht darin vielmehr eine Bestätigung der eigenen Auslegung, da sich die "gesetzliche Formulierung des § 34a Abs. 2 EStG (...) in entscheidungserheblicher Weise von der (...) des § 7g EStG" unterscheide. Weil der Gesetzgeber in § 34a Abs. 2 EStG eine Einschränkung auf den Gewinn nach Abs. 1 S. 1 des § 4 EStG (und § 5 EStG) vornehme, sei der Gewinnbegriff in § 7g EStG weiter auszulegen.
EÜR: Geklagt hatten zwar Gewerbetreibende, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 S. 1, § 5 EStG) ermitteln, allerdings sind die Urteile selbstverständlich auch auf die Ermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG übertragbar. Der Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 3 EStG ist m.E. nicht gleichbedeutend mit dem steuerlichen Gewinn. Andernfalls hätte sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs bei Einführung des IAB (vgl. 1.), als die Gewinngrenze nur für Einnahmenüberschussrechner galt, ergeben, was der Gesetzgeber unter "Gewinn" verstanden hat.
Beachten Sie: Führen nachträgliche Änderungen des Gewinns (z.B. im Rahmen einer Außenprüfung) zum Überschreiten der Gewinngrenze, können ggf. in diesem Jahr geltend gemachte IABe nicht mehr berücksichtigt werden und sind unter den Voraussetzungen der §§ 164, 165 und 172 ff. AO rückgängig zu machen.
Beraterhinweis Das Erreichen der Gewinngrenze, um die Vorteile des § 7g EStG in Anspruch nehmen zu können, kann ggf. bereits dur...