Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Schätzt das Finanzamt den Gewinn eines Restaurants nach Rohgewinnaufschlagsätzen aus Richtsatzsammlungen, ist dies nur zulässig, wenn es nachweist, dass der Betrieb nicht mit deutlich niedrigeren Rohgewinnaufschlagsätzen kalkuliert.
Sachverhalt
Im Streitfall nahm das Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung bei einem Restaurantbetrieb (Chinarestaurant) Gewinnzuschätzungen vor. Die Zuschätzungen wurden im Wesentlichen darauf gestützt, dass für den in 2001 erfolgten Erwerb einer privaten Immobilie ein ungeklärter Geldzufluss auf einem privaten Bankkonto in Höhe von 217.000 DM aus einer Überweisung durch eine Bank in Hongkong vorliege, sich aus den eingereichten Gewinnermittlungen unplausible Schwankungen der Gewinnaufschläge ergäben, sich aus Kontrollmitteilungen nicht verbuchte Wareneinkäufe entnehmen ließen, die Überprüfung des Bargeldverkehrs negative Bargeldsalden ergeben haben und die Kassenunterlagen nicht vollständig aufbewahrt worden seien. Im Aussetzungsverfahren machte der Antragsteller vor Gericht geltend, dass die Rohgewinnaufschlagsätze anderer Restaurants nicht auf seinen Betrieb übertragen werden können, da er ca. 70% seines Umsatzes mit verbilligten Mittagsmenüs erziele und außerdem das Restaurant im ländlichen Bereich liege, wo nur geringe Verkaufspreise durchsetzbar seien.
Entscheidung
Das FG hielt im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung das FA zwar für befugt, Zuschätzungen vorzunehmen, da die vorliegenden Kontrollmitteilungen belegten, dass der Wareneinkauf in allen Streitjahren unvollständig war. Gleichwohl war die Zuschätzung des FA zu hoch ausgefallen, da nach Auffassung des Gerichts die zugrunde gelegten Rohgewinnaufschlagsätze auf den Betrieb des Antragstellers nicht anwendbar waren. Denn das FA hatte bei der Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes das arithmetische Mittel aus verschiedenen Rohgewinnaufschlagsätzen in Form von Prozentsätzen errechnet und damit gegen grundlegende statistische Regeln verstoßen. Das arithmetische Mittel darf nur für metrische Daten (Daten, die mindestens auf Intervallskalenniveau liegen) errechnet werden. Ferner hatte sich das Finanzamt mit den vom Antragsteller vorgetragenen Argumenten (verbilligte Mittagsmenüs, Lage des Restaurants in ländlicher Umgebung) nicht auseinandergesetzt. Das FG hielt daher nur eine Gewinnerhöhung um Zuschätzungen für gerechtfertigt, die auf den nicht verbuchten Wareneinkäufen ansetzen.
Hinweis
Ist das Finanzamt dem Grunde nach zur Schätzung berechtigt, muss es alle Umstände berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Dies kann auch in Form einer Nachkalkulation erfolgen. Wird eine Schätzung wegen Verletzung der Buchführungs- oder Aufzeichnungspflichten erforderlich, so kann sich das FA an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige mögliche Einkünfte verheimlichen will. Im Streitfall hatte das Finanzamt die vom Steuerpflichtigen geltend gemachten betrieblichen Besonderheiten unbeachtet gelassen und sich insbesondere mit dem Argument des Steuerpflichtigen, er arbeite mit deutlich geringeren Rohgewinnaufschlagsätzen, nicht auseinandergesetzt. Das FG hält jedoch den Ansatz von Rohgewinnaufschlagsätzen aus Richtsatzsammlungen nur für zulässig, wenn das FA den Nachweis erbringt, dass der Betrieb des Steuerpflichtigen nicht mit deutlich niedrigeren Rohgewinnaufschlagsätzen kalkuliert.
Link zur Entscheidung
FG München, Beschluss vom 30.08.2011, 10 V 735/11