Der BGH hat sich bislang maßgeblich in zwei älteren Steuerberaterhaftungsverfahren aus dem Jahr 2004 mit der Frage befasst, ob sich aus dem Lohnbuchhaltungsmandat eine allgemeine Pflicht zur Beratung in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht ergeben kann. Eine aktuelle Entscheidung streift das Thema, lässt "zwischen den Zeilen" aber deutliche Rückschlüsse zu, die der Steuerberater kennen sollte.
a) BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 246/02
In einer ersten Entscheidung aus dem Jahr 2004 ließ der BGH offen, wie weit die sozialversicherungsrechtlichen Beratungspflichten des Steuerberaters in einem Lohnbuchhaltungsmandat reichen.
Es spreche viel dafür, dass ein Steuerberater, der bei der Prüfung einer Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge
- auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stoße oder
- dem sich die Rechtslage als unklar darstelle,
den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen dürfe, sondern seinem Mandanten anheim geben müsse, einen mit der notwendigen Erfahrung ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen.
Zur Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen dürfte der Steuerberater
- weder berechtigt
- noch verpflichtet sein.
b) BGH v. 23.9.2004 – IX ZR 148/03
In der zweiten Entscheidung des Jahres 2004 führte der IX. Senat des BGH aus, der steuerliche Berater, der im Auftrag des Arbeitgebers die Lohnabrechnung besorgt, müsse grundsätzlich auch prüfen, ob für Arbeitnehmer eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht komme, wenn Beiträge nicht abgeführt werden. Bei
- Unklarheiten oder
- sozialversicherungsrechtlichen Schwierigkeiten
sei der Berater gehalten, diese durch Rückfragen auszuräumen oder auf die Einschaltung eines hierfür fachlich geeigneten Beraters hinzuwirken.
c) Zwischenfazit
In beiden Entscheidungen überträgt der BGH dem Steuerberater jedenfalls die
- Empfehlungs- und
- Hinweispflicht,
bei sozialversicherungsrechtlichen Zweifelsfragen anwaltliche Expertise aufzusuchen.
d) BGH v. 6.6.2019 – IX ZR 115/18
In seiner jüngsten Entscheidung äußert sich der BGH zwar nicht ausdrücklich zur (fehlenden) Befugnis des steuerlichen Beraters, die Sozialversicherungspflicht eines GmbH-GF zu beurteilen.
Gleichwohl führt der BGH seine Rechtsprechung "zwischen den Zeilen" fort: So wird aus der Entscheidung im Kontext mit der Vorentscheidung, wonach der Steuerberater eine sozialversicherungsrechtliche Beratung ablehnen und die Mandantin an einen Rechtsanwalt oder eine Einzugsstelle nach § 28h SGB IV verweisen müsse, geschlussfolgert, dass sozialversicherungsrechtliche Statusfragen bei Gesellschafter-GF nicht durch den steuerlichen Berater geklärt werden dürfen, sondern dieser an eine fachkundige Person verweisen muss.