[1] Die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens (sog. Online-Verfahren) betrifft den Fall, dass seitens der verantwortlichen Stelle einer oder mehreren anderen Stellen im Sinne des § 35 SGB I das Recht eingeräumt wird, aus einem Datenbestand bestimmte Daten selbständig abzurufen und diese über Leitung zu empfangen. Die Besonderheit besteht darin, dass die Übermittlung (der Abruf) von Sozialdaten ohne jeweils den Einzelfall betreffende wissentliche Kenntnis der datenspeichernden Stelle erfolgt.
[2] Die Vorschrift lehnt sich im Wesentlichen an § 10 BDSG an, wobei die Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Durchführung des Abrufverfahrens unter Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Sozialdaten erschwert sind.
[3] Die besonderen Erschwernisse der Zulässigkeit des Abrufverfahrens gegenüber § 10 BDSG bestehen darin, dass die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens nur erlaubt ist, soweit es unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen wegen der Vielzahl der Übermittlungen oder wegen der besonderen Eilbedürftigkeit angemessen ist und wenn die jeweiligen Aufsichtsbehörden die Teilnahme der unter ihrer Aufsicht stehenden Stellen genehmigt haben. Zusätzlich sind die zuständigen Datenschutzkontrollbehörden des Bundes und der Länder im Unterschied zu Verfahren nach § 10 BDSG rechtzeitig vorher über die Einrichtung dieses Verfahrens zu unterrichten. Diese Abweichung geht auf einen Vorschlag des Bundesrates (BR-Drs. 243/93) zurück und soll bezwecken, dass die Datenschutzkontrollbehörden "auf die Entscheidung, ob und wie ein Abrufverfahren eingerichtet wird, noch Einfluss nehmen können" (BT-Drs.12/6334, S. 11). An der Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens sind demnach verschiedene Stellen beteiligt – die Aufsichtsbehörden und die Datenschutzkontrollbehörden des Bundes und der Länder, wobei letzteren eine Kompetenz zur Genehmigung nicht zukommt. Die daraus resultierende Frage, wie sich die Verwaltung zu verhalten hat, wenn nur eine der Aufsichtsbehörden die Genehmigung nicht erteilt, ist nach dem Wortlaut von Abs. 1 Satz 1 dahin zu beantworten, dass in diesem Falle die Beteiligung der betreffenden Stelle an dem Verfahren unzulässig ist.
[4] Für die Rentenversicherung enthalten §§ 148 Abs. 3 und 150 Abs. 5 SGB VI Spezialregelungen hinsichtlich der Einrichtung eines automatisierten Datenabrufs. Zudem sieht § 79 Abs. 1a SGB X eine Spezialregelung für den Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vor. Diese Sonderregelungen legen den Kreis der Stellen, die sich an einem solchen Verfahren beteiligen dürfen, einengend fest.
[5] § 79 SGB X regelt nur die Zulässigkeit der Einrichtung des Verfahrens, nicht aber die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs. Die Zulässigkeit des Einzelabrufs ist nach den jeweiligen Übermittlungsvorschriften des SGB zu prüfen. Erforderlich ist nach § 67d Abs. 1 SGB X demnach die Erlaubnis durch eine Rechtsvorschrift (z. B. §§ 68 bis 77 SGB X) oder die Einwilligung des Betroffenen (§ 67b SGB X).
[6] § 79 SGB X ist nicht anwendbar auf Online-Abrufe innerhalb eines Leistungsträgers, da es bereits am Tatbestand des Übermittelns zwischen verschiedenen Leistungsträgern fehlt. Auch die Datenverarbeitung im Auftrag nach § 80 SGB X ist vom Anwendungsbereich des § 79 SGB X ausgenommen, da der Auftragnehmer kein Dritter ist (§ 67 Abs. 10) und somit ebenfalls keine Übermittlung vorliegt.