Das grobe Verschulden richtet sich zunächst an den Steuerpflichtigen als Adressat der steuerlichen Mitwirkungspflichten. In diesem Zusammenhang ist jedoch fraglich, ob dem Steuerpflichtigen ein fremdes Verschulden Dritter – wie von der Rechtsprechung angenommen – zugerechnet werden kann (etwa bei der Zurechnung des groben Verschuldens zwischen zusammenveranlagten Ehegatten, BFH v. 24.7.1996 – I R 62/95, BStBl. II 1997, 115, oder bei der Zurechnung eines Bevollmächtigten oder einer Person, die dem Steuerpflichtigen in seinen steuerlichen Angelegenheiten Hilfe leistet, insb. eines Steuerberaters, BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324; v. 18.5.1988 – X R 57/82, BStBl. II 1988, 713. Hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen, die an einen Steuerberater zu stellen sind, sei in diesem Fall von dessen Kenntnis und sachgemäßer Anwendung steuerlicher Vorschriften auszugehen (BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324).
Zurechenbarkeit fremden Verschuldens?: Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob ein fremdes Verschulden im Rahmen von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO überhaupt zurechenbar sein kann. Eine gesetzliche Regelung, die die Zurechnung des Verschuldens Dritter beträfe, enthält das Gesetz nicht. Da nur Beteiligte an einem Besteuerungsverfahren den Mitwirkungspflichten unterliegen (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO Rz. 10; Söhn in HHSp, § 90 AO Rz. 8; Roser in Gosch, AO/FGO, § 90 AO Rz. 16; Hahlweg in Koenig AO, 4. Aufl., § 90 AO Rz. 9), handelt es sich bei der Mitwirkungspflicht um eine persönliche Pflicht des Steuerpflichtigen (Friedl, DStR 1991, 1616 [1617]; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO Rz. 10), in Folge dessen nicht ohne weiteres von einer Zurechenbarkeit eines Drittverschuldens ausgegangen werden kann (Söhn in HHSp, § 90 AO Rz. 8 lit. a.). Auch nach Zuhilfenahme Dritter zur Verwirklichung seiner steuerlichen Pflichten ist der Steuerpflichtige weiterhin persönlich für die sorgfältige Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten verantwortlich (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 81). Ein Verschuldensprinzip, dass sich an der persönlichen Verantwortung des Rechtsverpflichtenden orientiert, ist mit der Zurechnung fremden Verhaltens, dessen er sich zur Erfüllung seiner Pflichten bedient, nicht vereinbar (Friedl, DStR 1991, 1616 [1617]). Aus diesem Grund setzt eine allgemeine Mitwirkungspflicht am Besteuerungsverfahren nicht beteiligter Dritter eine spezielle Rechtsgrundlage voraus (Söhn in HHSp, § 90 AO Rz. 8 lit. a.). Eine solche gesetzliche Regelung, ausgenommen der Mitwirkungspflichten eines gesetzlichen Vertreters einer handlungsunfähigen beteiligten Person (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 82; Hahlweg in Koenig AO, 4. Aufl., § 90 AO Rz. 9), enthält das Gesetz jedoch nicht. Daher sind steuerrechtliche Mitwirkungspflichten – anders als etwa die Pflichten im Rahmen eines bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnisses – auf Dritte grundsätzlich nicht übertragbar (so ähnlich Hahlweg in Koenig AO, 4. Aufl., § 90 AO Rz. 9; Söhn in HHSp, § 90 AO Rz. 8 lit. a. Eine wichtige Ausnahme bilden dabei die hier nicht einschlägigen §§ 34, 35 AO, durch die steuerliche Pflichten einschließlich der Mitwirkungspflichten auf Vertreter übertragen werden). Anders als durch § 278 BGB vorausgesetzt, kann eine Zurechnung der Mitwirkungspflichten folglich nicht in analoger Anwendung dieser Vorschrift erfolgen. Bevollmächtigte und Personen, die in steuerlichen Angelegenheiten Hilfe leisten, erfüllen deshalb keine Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen, sondern leisten diesem insoweit nur Hilfe bei dessen eigener Pflichterfüllung (so ähnlich Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 81). Eine Zurechnung fremden Verschuldens im Rahmen der Mitwirkungspflichten ist deshalb, ausgenommen bei gesetzlichen Vertretern einer handlungsunfähigen Person, nicht möglich (gleicher Ansicht Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 82). Verschulden nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bezieht sich damit ausschließlich auf den Steuerpflichtigen und nicht auf Dritte.
Sorgfaltspflicht der steuerpflichtigen Person: Dennoch bleibt als Ansatz einer "faktischen Zurechnung" die Sorgfaltspflicht des Steuerpflichtigen bei der Auswahl und Überwachung seines Steuerberaters. Für diese Auslegung spricht überdies auch der Wortlaut von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, der hinsichtlich des groben Verschuldens ausschließlich auf den Steuerpflichtigen abstellt. Der Wortlaut dieser Norm steht demnach der Einbeziehung Dritter in die Beurteilung des groben Verschuldens entgegen. Eine analoge Anwendung einer Zurechnungsnorm, etwa von § 278 BGB, verbietet sich im Rahmen der nach Grundsatz der Normenklarheit im Zweifel zugunsten des Steuerpflichtigen zu beurteilenden Eingriffsnorm.
Außerdem ist die Zurechenbarkeit fremden Handelns typischerweise verknüpft mit dem objektiv ermittelten Verschulden in Anlehnung an das Zivilrecht und hat durch in § 278 BGB entsprechenden Niederschlag gefunden. Daher käme eine Zurechenbarkeit allenfalls im Zuge eines objektiven Verschuldung...