Leitsatz
Beim Kauf eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks durch den Erbbauberechtigten oder einen Dritten unterliegt lediglich der nach Abzug des Kapitalwerts des Erbbauzinsanspruchs vom Kaufpreis verbleibende Unterschiedsbetrag der Grunderwerbsteuer. Der Kaufpreis ist nicht nach der sog. Boruttau’schen Formel aufzuteilen (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG, § 92 Abs. 2 BewG
Sachverhalt
Der Kläger und seine Eltern schlossen am 12.12.1997 mit einer GmbH einen Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück der GmbH auf die Dauer von 66 Jahren; der jährliche Erbbauzins betrug 32.500 DM/Jahr. Im Jahr 2007 verkaufte die GmbH dem Kläger das Grundstück zu einem Kaufpreis von 235.000 EUR. Zugleich vereinbarten die Vertragsparteien die Aufhebung des Erbbaurechts an dem Grundstück. Das FA setzte gegen den Kläger, ausgehend vom vereinbarten Kaufpreis, Grunderwerbsteuer von 8.225 EUR fest. Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage setzte das FG die Grunderwerbsteuer auf 4.357 EUR herab. Der Gesamtkaufpreis sei im Hinblick auf den nicht der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erbbauzinsanspruch nach der sog. Boruttau’schen Formel aufzuteilen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.12.2013, 15 K 4236/10, Haufe-Index 6701387, EFG 2014, 1025).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen und auf die Revision des Klägers die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR festgesetzt, weil der Kaufpreis nicht nach der Boruttau’schen Formel aufzuteilen war und der Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs den vereinbarten Kaufpreis übersteigt.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft die Ermittlung der Bemessungsgrundlage beim Erwerb eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks.
1. Bei der Grunderwerbsteuer ist das Erbbaurecht den Grundstücken gleichgestellt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Das Erbbaurecht ist daher ebenso ein Grundstück wie das erbbaurechtsbelastete Grundstück. Damit können grunderwerbsteuerbare Vorgänge sowohl in Bezug auf das Erbbaurecht (z.B. die Bestellung oder Übertragung eines Erbbaurechts) als auch in Bezug auf das erbbaurechtsbelastete Grundstück (z.B. Kaufvertrag) verwirklicht werden.
2. Ein bedeutsamer Unterschied zwischen Erwerbsvorgängen betreffend das Erbbaurecht einerseits und das erbbaurechtsbelastete Grundstück andererseits besteht jedoch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer:
Bei einem das Erbbaurecht betreffenden Erwerbsvorgang (etwa die Bestellung oder Übertragung eines Erbbaurechts) ist der Wert der Erbbauzinsverpflichtung als Gegenleistung anzusetzen. Anders ist dies bei Erwerbsvorgängen über ein erbbaurechtsbelastetes Grundstück. Mit dessen Erwerb geht zwar auch der Anspruch auf den Erbbauzins auf den Erwerber über. Der Erbbauzinsanspruch ist jedoch eine reine Geldforderung und als solche nicht der Grunderwerbsteuer unterworfen. Dies hat der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG und der Aufhebung des früheren § 1 Abs. 7 GrEStG a.F. klargestellt. Deshalb ist der Erbbauzinsanspruch nicht als Gegenleistung zu berücksichtigen, wenn – so im Streitfall – der Erbbauberechtigte oder ein Dritter das erbbaurechtsbelastete Grundstück erwirbt.
3. Im Regelfall wird allerdings für den Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks eine nicht weiter aufgegliederte einheitliche Gesamtgegenleistung sowohl für den Erwerb des Grundstücks als auch den zugleich erworbenen Erbbauzinsanspruch erbracht. Hier stellt sich die Frage, nach welchen Grundsätzen die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage zu ermitteln ist. Bislang war die BFH-Rechtsprechung nach der sog. Boruttau’schen Formel verfahren. Hiernach wäre der auf den Erwerb des Erbbauzinsanspruchs entfallende Teil der Gesamtgegenleistung nach dem Verhältnis des gemeinen Werts des belasteten Grundstücks zum Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs aufzuteilen.
In Abkehr von dieser Rechtsprechung kann nunmehr auf eine solche Verhältnisrechnung verzichtet werden. Da der Erbbauzinsanspruch eine Geldforderung ist, kann diese schon aus Vereinfachungsgründen mit dem Kapitalwert des Erbbauzinses vom Kaufpreis abgezogen werden. Damit erübrigt sich die andernfalls erforderliche Ermittlung des gemeinen Werts des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks. Übersteigt der Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs die vereinbarte Gegenleistung für den Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks, ist keine Grunderwerbsteuer festzusetzen.
4. Von diesen Grundsätzen unberührt bleibt allerdings der Sonderfall, dass ein Grundstückserwerber gleichzeitig das erbbaurechtsbelastete Grundstück und das Erbbaurecht erwirbt und bereits im Erwerbszeitpunkt die Aufhebung des Erbbaurechts beabsichtigt. Für diesen Fall hat der BFH (Urteil vom 11.6.2013, II R 30/11, BFH/NV 2013, 1632) angenommen, dass der Wert des Erbbauzinsanspruchs mit Null anzusetzen ist. In diesem Fall wird der Käufer mithin so behandelt, als ob das Erbbaurecht bereits vor dem Grundstücksverkauf aufgehoben worden wäre und der Kaufpreis für das unbelaste...