Sächsisches Staatsministerium der Finanzen v. 16.05.1994, 34-S 4500-47/3-14841

Gemäß Art. 36 Abs. l Satz 3 EV waren die der Produktion und Verwaltung des Rundfunks und des Fernsehens der DDR dienenden Liegenschaften („produktionsnotwendige” Liegenschaften) einer gemeinschaftlichen, staatsunabhängigen, rechtsfähigen „Einrichtung” zugeordnet. Für diese Zuordnung gilt Art. 21 EV entsprechend. Die „Einrichtung” war nach Art. 36 Abs. 6 Satz l EV durch Staatsvertrag entweder bis spätestens 31. Dezember 1991 aufzulösen oder in Anstalten des öffentlichen Rechts zu überführen. Da ein derartiger Staatsvertrag nicht zustande kam und auch keine Einigung über eine vorzeitige Auflösung erzielt wurde, war die „Einrichtung” gem. Art. 36 Abs. 6 Satz 2 EV mit Ablauf des 31. Dezember 1991 aufgelöst. Für diesen Fall ordnet Art. 36 Abs. 6 Satz 3 EV an, dass das im Auflösungszeitpunkt bestehende Aktiv- und Passivvermögen auf die Länder „in Anteilen” übergeht.

Durch Art. 16 des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes (RegVBG) vom 20. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2182) ist es bezüglich der Liegenschaften des Rundfunks und Fernsehens der DDR in § 20 des Vermögenszuordnungsgesetzes (VZOG) ermöglicht worden, die Vermögenswerte des früheren Staatsrundfunks der DDR entsprechend Art. 36 SV durch Zuordnungsbescheid direkt oder indirekt in das Vermögen der neuen Länder zu überführen. Klarstellend ist ausgeführt, dass die Vermögenswerte, die nicht nach Art. 36 SV dem Sondervermögen der Deutschen Bundespost zugeordnet sind, den Ländern des in Art. 3 SV genannten Gebiets zur gesamten Hand zustehen.

Zuordnungen dieser Art sind der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerbsvorgänge. Zweifelhaft kann indessen sein, ob diese Vorgänge auch steuerpflichtig sind. Allein in Betracht zu ziehen ist hier die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 6 GrEStG. Dieser knüpft aber an Zuordnungstatbestände gem. Art. 21, 22 EV an. Anders als Art. 36 Abs. l EV verweist der hier einschlägige Art. 36 Abs. 6 EV jedoch nicht auf Art. 21 EV. Eine unmittelbare Anwendung des § 4 Nr. 6 GrEStG kommt daher nicht in Betracht.

Gleichwohl wäre es nicht zu rechtfertigen, die in Rede stehenden Grundstücksübertragungen grunderwerbsteuerlich anders zu behandeln als unmittelbar auf Art. 21, 22 SV gestützte Zuordnungen.

Dies gilt sowohl für den Übergang von der „Einrichtung” auf die gesamte Hand als auch für nachfolgende Übertragungen durch Zuordnung gemäß § 20 VZOG i. d. F. des RegVBG auf ein Land oder unmittelbar oder mittelbar auf die einzelne Rundfunk- und Fernsehanstalt; denn ausweislich der Materialien zum EV (vgl. BT-Drs. 11/7760) sollte die „Einrichtung” lediglich für einen Übergangszeitraum bestehen, „in dem die Länder noch nicht in der Lage sind, gemeinschaftliche Entscheidungen für die Übernahme der bestehenden Einrichtungen des Hörfunks und des Fernsehens zu treffen”.

Demgemäss werden jetzt – verspätet – die vermögensrechtlichen Zuordnungen ermöglicht, die bereits die einigungsvertragsschließenden Parteien hätten vornehmen müssen, wären sie s. Zt. dazu im Stande gewesen. Es wäre jedoch sachlich unbillig, aus der zum Zeitpunkt der Einigung und danach gegebenen objektiven Unmöglichkeit, endgültige vermögensrechtliche Entscheidungen im Bereich des Rundfunks und Fernsehens zu treffen, eine andere steuerrechtliche Folge abzuleiten als bei Zuordnungen, die unmittelbar auf Art. 21, 22 EV gestützt werden konnten.

Ich bitte daher, die Auffassung zu vertreten, dass für die fraglichen Grundstücksübergänge Grunderwerbsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht zu erheben ist.

Dieser Erlass ergeht im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder.

Ich bitte, die Finanzämter entsprechend zu unterrichten.

 

Normenkette

§ 4 GrEStG

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