Leitsatz
1. Ficht ein Vergütungsschuldner einen gegen ihn gem. § 50a Abs. 5 EStG 1990 ergangenen Haftungsbescheid an, so ist der Vergütungsgläubiger, auf den sich die Inanspruchnahme aus dem Haftungsbescheid bezieht, zu dem finanzgerichtlichen Verfahren nicht notwendig beizuladen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Die Haftung des Vergütungsschuldners gem. § 50a Abs. 5 EStG 1990 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Besteuerungsrecht für die von dem Vergütungsgläubiger erzielten Einkünfte nach Maßgabe des betreffenden Doppelbesteuerungsabkommens dem Ansässigkeitsstaat zusteht und Deutschland daher diese Einkünfte nicht besteuern darf.
3. Ein beschränkt Steuerpflichtiger mit Einkünften gem. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG 1990 n.F. unterliegt im Anmeldungszeitraum 1993 dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Sätze 3, 5 und 6 EStG 1990 n.F. mit seinen Bruttoeinnahmen. Nur wenn der beschränkt Steuerpflichtige Ausgaben hat, welche unmittelbar mit der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, und wenn diese Ausgaben dem Vergütungsschuldner mitgeteilt werden, sind die Ausgaben bereits im Rahmen des Abzugs- bzw. eines ggf. nachfolgenden Haftungsverfahrens zu berücksichtigen. Soweit § 50a Abs. 4 Sätze 5 und 6 EStG 1990 n.F. dies ausschließt, verstößt die Vorschrift gegen Gemeinschaftsrecht und ist sie deswegen in Norm erhaltender Weise zu reduzieren (Anschluss an EuGH, Urteil vom 03.10.2006, Rs. C-290/04"Scorpio", BFH-PR 2006, 490).
Normenkette
§ 50a Abs. 5, § 50a Abs. 4, § 50d Abs. 1 EStG 1990, § 60 Abs. 1 und 3 FGO
Sachverhalt
Es handelt sich um jenes Revisionsverfahren, das dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH an den EuGH vom 28.04.2004, I R 39/04 (BFH-PR 2004, 350) sowie dem anschließenden Urteil des EuGH vom 03.10.2006, Rs. C-290/04"Scorpio" (BFH-PR 2006, 490) zugrunde lag:
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland (Inland). Sie veranstaltete im Inland Konzerte mit einer Popmusikergruppe. Deren künstlerische Darbietungen wurden ihr von ihrem als E firmierenden Vertragspartner zur Verfügung gestellt. E war eine nicht zur Musikergruppe gehörende natürliche Person, die in den Niederlanden ansässig war, im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte und dort auch keine Betriebsstätte unterhielt.
In den streitgegenständlichen Anmeldungszeiträumen, dem ersten und dem dritten Quartal 1993, zahlte die Klägerin E für die erbrachten Leistungen insgesamt 438 600 DM. Einen Steuerabzug gem. § 50a Abs. 4 EStG 1990 i.d.F. des StÄndG 1992 vom 25.02.992 unterließ sie, obwohl E keine Freistellungsbescheinigung gem. § 50d Abs. 3 EStG 1990 vorgelegt hatte.
Nachdem die seinerzeit für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzbehörde von diesem Sachverhalt erfahren hatte, forderte sie durch Haftungsbescheid vom 21.03.1997 gem. § 50a Abs. 5 EStG 1990 i.V.m. § 73g EStDV von der Klägerin die Zahlung der entsprechenden, auf das Bruttohonorar berechneten Abzugsteuer.
Die daraufhin erhobene Klage war erfolglos (EFG 2001, 1553). Der EuGH hat nach Anrufung durch den BFH den Steuerabzug und die Haftung als solche akzeptiert, jedoch nicht das uneingeschränkte Bruttoprinzip.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil bestätigt.
Da der Vergütungsgläubiger E der Klägerin keine Betriebsausgaben mitgeteilt habe, welche unmittelbar mit den erbrachten Leistungen zusammenhängen, sei die Haftung auf Bruttobasis nicht zu beanstanden.
Der BFH hatte seine Entscheidung zunächst in einen Gerichtsbescheid gekleidet, gegen den die Klägerin mündliche Verhandlung beantragt hatte – das jedoch zu spät. Es sei dazu auf den Beschluss vom 18.09.2007, I R 39/04 (in diesem Heft S. 38) verwiesen.
Hinweis
1. Der EuGH hat in der in Leitsatz 3 zitierten Entscheidung "Scorpio"das steuerliche Abzugsverfahren bei beschränkt Steuerpflichtigen gem. § 50a Abs. 4 EStG bekanntlich als ein "verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaats" angesehen. Auch das damit verbundene Haftungsverfahren nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG, das "es erlaubt, das Unterlassen eines solchen Abzugs ggf. zu sanktionieren", trägt nach Ansicht des EuGH "in angemessener Weise dazu bei, die Effizienz dieser Erhebung zu gewährleisten". Auf die dazu gegebenen Hinweise in BFH-PR 2006, 490 sei verwiesen (gleichermaßen zu Anschluss-Urteilen in BFH-PR 2007, 138, 251, 332, auch 301).
2. Der EuGH hat allerdings seine (höheren) Anforderungen an das Verwirklichen des objektiven Nettoprinzips auch beim Steuerabzug präzisiert:
Unmittelbar mit der erbrachten Dienstleistung in Zusammenhang stehende und dem Abzugsverpflichteten mitgeteilte Betriebsausgaben müssen schon beim Steuerabzug berücksichtigt werden. Das Bruttoprinzip des § 50a Abs. 4 Satz 3 EStG wird dadurch eingeschränkt.
Lediglich nicht mitgeteilter oder nur mittelbarer Aufwand kann einem späteren Erstattungsverfahren überantwortet werden.
3. Auf dieser Basis brauchte der BFH sich für sein Sch...