Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das Niedersächsische FG hat entschieden, dass ein Hafenarbeiter, der im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung bei verschiedenen Hafeneinzelbetrieben auf dem Hamburger Hafengelände eingesetzt wird, in einem "weiträumigen Tätigkeitsgebiet" tätig ist, sodass er seine Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale abrechnen kann.
Sachverhalt
Der klagende Hafenarbeiter war nach seinem Arbeitsvertrag auch im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung einsetzbar und war von seinem Arbeitgeber auf dieser Grundlage im Streitjahr 2015 an vier verschiedenen Orten (Liegeplätzen) innerhalb des Hamburger Hafens eingesetzt worden. Arbeitstäglich rief er bei seinem Arbeitgeber an, um seinen jeweiligen Einsatzort zu erfahren. In seiner Einkommensteuerveranlagung wollte er seine arbeitstäglichen Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzufahrt nach Reisekostengrundsätzen abgerechnet wissen (Hin- und Rückweg mit jeweils 0,30 EUR). Das Finanzamt berücksichtigte für diese Fahrten nur die Entfernungspauschale mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer und argumentierte, dass das Hamburger Hafengebiet steuerlich ein "weiträumiges Tätigkeitsgebiet" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG ist, sodass der Fahrtkostenabzug eingeschränkt war.
Entscheidung
Das FG entschied, dass das Finanzamt für die Fahrten zu Recht nur die Entfernungspauschale abgezogen hatte. Zwar konnte der Hamburger Hafen nach Gerichtsmeinung nicht als erste Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG qualifiziert werden, da es bereits an einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers mangelte. Der Ansatz der Entfernungspauschale war gleichwohl gerechtfertigt, weil der Hafen ein "weiträumiges Tätigkeitsgebiet" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG war. Der Arbeitnehmer hatte nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufzusuchen. Da im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die Satzung für den Gesamthafenbetrieb Hamburg verwiesen worden war, kann davon ausgegangen werden, dass er nur bei den dort ansässigen Hafeneinzelbetrieben einsetzbar war. Er hatte den Hamburger Hafen "typischerweise" arbeitstäglich aufzusuchen.
Hinweis
Durch die Einordnung eines Einsatzortes als weiträumiges Tätigkeitsgebiet wird nur der steuerliche Kostenabzug für die Fahrten zwischen Wohnung und nächstgelegenem Zugang zum Gebiet beschränkt. Die Fahrten innerhalb des Tätigkeitsgebiets (z. B. vom Hafenzugang zum Einzelbetrieb) sind hingegen weiterhin nach Reisekostengrundsätzen (mit den tatsächlichen Kosten oder 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer) abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 4 EStG).
Die Revision ist beim BFH anhängig, Az beim BFH VI R 4/21.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil v. 03.02.2021, 4 K 11006/17