Leitsatz
Gefrorenes Rindfleisch ist nicht von handelsüblicher Qualität im Sinn von Art. 13 VO (EWG) Nr. 3665/87, wenn wegen Überschreitung des vom Hersteller angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatums die Ware im Gebiet der Gemeinschaft nicht unter normalen Bedingungen vermarktet werden kann. Die Gewährung von Ausfuhrerstattung für solches Rindfleisch kommt nicht in Betracht.
Normenkette
Art. 13 VO (EWG) Nr. 3665/87 , Art. 21 Abs. 2 VO (EG) Nr. 800/1999
Sachverhalt
Im Dezember 1997 waren gefrorene Rindfleischstücke zur Ausfuhr nach Kroatien abgefertigt worden. Das HZA finanzierte dem Exporteur die Ausfuhrerstattung vor. Eine spätere Untersuchung einer aus der Warensendung entnommenen Probe ergab, dass das auf den Kartons angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum im Zeitpunkt der Ausfuhranmeldung überschritten war. Daraufhin forderte das HZA die vorfinanzierte Ausfuhrerstattung mit einem Zuschlag von 20 % zurück.
Entscheidung
Der BFH musste von der tatsächlichen Feststellung des FG ausgehen, dass für das Fleisch im Zeitpunkt der Ausfuhranmeldung aufgrund der erheblichen Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums keine Vermarktungsmöglichkeit innerhalb der Gemeinschaft bestanden habe. Demnach konnte er dem Fleisch die "handelsübliche Qualität" nicht zuerkennen. Ausfuhrerstattung war folglich nicht zu gewähren.
Hinweis
1. Art. 13 der Ausfuhrerstattungs-VO Nr. 3665/87 (heute: Art. 21 Abs. 1 VO Nr. 800/1999) gewährt Ausfuhrerstattung nur für Erzeugnisse "von gesunder und handelsüblicher Qualität". Das entspricht dem Ziel der Ausfuhrerstattung, den Markt der Gemeinschaft zu entlasten; von ohnehin innerhalb der Gemeinschaft nicht handelsfähigen Waren entlastet zu werden, hat der Markt indes nicht nötig.
2. Handelsübliche Qualität ist auch bei Ware erforderlich, die zum menschlichen Verzehr bestimmt ist; die bloße Eignung hierzu (die sog. Genusstauglichkeit) genügt also nicht.
3. Ist das Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums überhaupt ein erstattungsrechtlich relevanter Umstand, der zur Beurteilung der handelsüblichen Qualität eines Erzeugnisses herangezogen werden kann? Eine Definition dessen, was das Mindesthaltbarkeitsdatum ist und welche Funktion seiner Angabe zukommt, findet sich in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 79/112/EWG (jetzt: Art. 9 Abs. 1 RL 2000/13/EG). Danach handelt es sich bei dem Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels um das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel seine spezifischen Eigenschaften unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen behält. Das Mindesthaltbarkeitsdatum stellt also keine Qualitätsgarantie dar, so wie umgekehrt die Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatum nicht zwangsläufig mit einem Qualitätsverfall verbunden ist. Es soll vielmehr lediglich den Verbraucher darauf hinweisen, in welcher Frist die Ware verzehrt werden kann, ohne dass nach Einschätzung des Herstellers Qualitätseinbußen zu befürchten sind. Deshalb sagt das Mindesthaltbarkeitsdatum an sich über die Qualität der Ware gar nichts aus; dessen Überschreitung kann, muss aber nicht mit einem Qualitätsverfall verbunden sein, zumal die Bemessung der angegebenen Haltbarkeitsdauer auch von marktstrategischen Gesichtspunkten beeinflusst sein dürfte.
4. Im Besprechungsfall hatte allerdings das FG – für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend – festgestellt, dass die Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums der Ware die Marktfähigkeit genommen habe. Dass es zu dieser Feststellung gekommen war, hatte sich der Exporteur in erster Linie selbst zuzuschreiben; denn er hatte trotz Nachfrage eine Vermarktungsmöglichkeit in der Gemeinschaft nicht aufzeigen können. Man kann sich aber vorstellen, dass bei vielen Waren (und einer geschickteren Prozessführung) solche Vermarktungsmöglichkeiten nachgewiesen werden können. Offen ist insofern, ob es in diesem Zusammenhang ausreichen würde, dass eine Vermarktung auf beschränkten Spezialmärkten möglich ist, etwa nur bei der Verarbeitungsindustrie oder z.B. bei Großküchen, nicht aber beim normalen Endverbraucher. Die Antwort auf diese Frage hängt eng mit der vom EuGH demnächst zu erwartenden Antwort auf die Frage zusammen, ob sog. Freibank-Fleisch (aus sog. Isolierschlachtbetrieben) handelsübliche Qualität hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.6.2004, VII R 74/03