„Chicken or Pasta?“ - Nicht nur jeder Fluggast kennt diese Frage. Kaum ein Thema wird im Gesamtkontext der Nachhaltigkeitsentwicklung so emotional, so kontrovers diskutiert wie der Verzicht auf oder die Reduktion von Fleisch und fleischhaltigen Gerichten im Veranstaltungscatering. An der Frage: "Vegetarisch, vegan, mit Fisch oder Fleisch?", scheiden sich die Geister. Im Gespräch mit Hermann Vetter, der als Business-Caterer mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung hat und die Änderungen in Gewohnheiten und Ansprüchen der Gäste sehr direkt verfolgt hat, wird dies auf eindrucksvolle Art bestätigt.
Der Dialog mit einem Gast, der "wirklich entsetzt war, dass es kein Fleisch gab" verdeutlicht die Magie der großen Zahl. Konkret konnte dem Herrn klargemacht werden, wie viel er als Einzelner allein tun müsste, um all das an CO2-Emissionsreduktion zu schaffen, was ein paar tausend Gäste gemeinsam mit ihm zusammen an drei Veranstaltungstagen bewirken können, wenn sie sich vegetarisch oder vegan ernähren. Bei 2.500 Gästen und drei Tagen Veranstaltungsdauer kommen 7.500 Mittagessen zusammen. Und der einzelne Mensch würde – wollte er sich selbst ab sofort umstellen auf fleischlose Ernährung zur Mittagszeit – fast 21 Jahre brauchen, um all diese Essen allein zu verspeisen.
Kleine Maßnahme – große Wirkung
Die punktuelle Zusammenführung vieler Menschen und der kollektive, temporäre Verzicht mit seinem im Vergleich zum Einzelnen riesigen Effekt ist tatsächlich das beste Argument, um Kritikern der fleischlosen Ernährung zumindest im Kongress- und Tagungsumfeld zu begegnen – und das ganz ohne erhobenen Zeigefinger und auch ohne Hinweis auf persönliche oder moralische Überzeugungen. Die Erkenntnis bei dem oben angesprochenen Gast war dann: "Lieber mal drei Tage vegetarisch essen, als dass man das über sein ganzes Leben hinweg macht." Der Schlüssel zum Verständnis des Einzelnen ist hierbei das Aufzeigen der Wirkmächtigkeit einer kleinen Maßnahme, die auf viele Menschen hochgerechnet wird.
Natürlich war es nicht immer so, vor allem zu Anfang nicht – fleischfrei zu tagen und zu feiern, war bis vor wenigen Jahren die Ausnahme. Auch die Macher des "Way out West"-Festivals in Göteborg (Schweden) bekamen unfreiwillig eine Menge Aufmerksamkeit in der Presse. Sie hatten nur einen Tag vor Beginn des Festivals angekündigt kein Fleisch und keinen Fisch mehr anzubieten. Eine Lokalzeitung hatte daraufhin am Folgetag vor dem Eingang zum Gelände gratis Hot Dogs verteilt, "damit niemand verhungern muss."
Grundsätzlich lässt sich, gerade im Businessumfeld, die Tendenz hin zu leichteren Gerichten beobachten. Wobei sich "leicht" hier mittlerweile zumeist auf entweder vollständig vegetarische Gerichte oder zumindest Gerichte mit reduziertem Fleischanteil bezieht. Hier wirken sich auch die sich langfristig ändernden Essgewohnheiten und auch steigende Ansprüche von außen aus, zusammen mit den Thematiken von Allergien, Unverträglichkeiten und ganz allgemein stärker ausdifferenzierten Wünschen an das Speisen- und Getränkeangebot, als noch in der Vergangenheit.
Luxus Lachs?
Spannend ist die Beobachtung, dass im klassischen Tagungs- und Kongressbereich, also im Businessumfeld tagsüber, bei dem die Mittagspause auch und vor allem dem Austausch, der Regeneration und der Energiezufuhr dient, die Bereitschaft zum Akzeptieren von Änderungen sehr viel höher ist als zum Beispiel bei Abendveranstaltungen, bei Festen und Feiern. Steht der Gedanke des Genusses im Vordergrund, greifen bei vielen Menschen noch die althergebrachten Vorstellungen von "gutem Essen". Für die ersten zwei, manchmal auch drei Nachkriegsgenerationen ist dies nun einmal der Verzehr von Fleisch in unterschiedlichsten Varianten.
Ein Klassiker bei der Planung einer Abendveranstaltung ist beispielsweise die Frage nach dem allseits bekannten Fisch: "Da kommen wir immer wieder mal an den Punkt, wo es heißt: Wir wollen Lachs!" Bei einem Event mit mehreren hundert Gästen, bei dem die Entscheider in der Generation der 60- bis 75-Jährigen sind, soll über das Essensangebot Wertschätzung ausgedrückt werden. Der Lachs als früher noch wild gefangenes, damit teures Produkt und damals durchaus eine Rarität, soll häufig diese Rolle übernehmen. Nun macht es natürlich wenig Sinn, hier mit der Rationalität in eine Diskussion zu gehen oder mit dem Hinweis auf die starke Veränderung in Aufzucht, Angebot, Preisverfall und damit einhergehend dem Verlust der Wertigkeit der Speise "Lachs" zu argumentieren. Die emotionale Verbundenheit und der projizierte Wert eines Gerichts lassen sich nicht wegdiskutieren.
Ein Ansatz, der hier einen Ausweg beziehungsweise eine salomonische Lösung bietet, ist das Aufnehmen der Wünsche und die Verstärkung der gewünschten Wirkung durch Reduktion. Im konkreten Beispiel wurde mit dem Kunden besprochen, zwar Lachs anzubieten – aber nicht in rauen Mengen, vor allem nicht als Basis für gleich 500 Essen. Im Gegenteil wurde sehr viel weniger Fisch eingekauft, dafür aber von höchster Qualität. Der Effekt für die positivere Nachhaltigkeit war neben der geringeren Menge dann auch der Fokus auf nachhaltig produzierte und fair gehandelte Rohware. Auch wenn hier kein vollständiger Verzicht erreicht werden konnte, so kann hiermit doch aufgezeigt werden, dass Alternativen vorhanden sind und diese auch von den Gästen angenommen und gewürdigt werden. Durch die Aufwertung der ursprünglich in Massen geplanten Nutzung des Lachs konnte die vom Gast explizit gewünschte Wirkung nochmals gesteigert werden. Auch nicht zuletzt dank der Tatsache, dass viele der Gäste zwar noch ein ähnliches "Bild im Kopf" tragen, meist aber durch das private Umfeld im Erkennen der Wertigkeit einzelner Lebensmittel schon sehr viel weiter sind. Der Fokus auf sehr hochwertige Zutaten erlaubt auch, vor Ort in der Kommunikation mit den Gästen positive Impulse zu setzen. Um ein letztes Mal den Lachs als Beispiel zu bemühen: Wer heutzutage die höchste Qualität einkauft, kommt wieder sehr nahe an das "Original" Ende der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts heran – in kleinen Mengen wild gefangene Fische, die unter Beachtung aller Schutzvorschriften in so geringer Zahl aus dem Ökosystem entnommen werden, um eine stabile, nachhaltige Populationsentwicklung zu gewährleisten.
Lebensmittelverschwendung auch ohne Fleischverzicht eindämmen
Ist nun aber doch Fleisch gewünscht, so bieten sich hier einige Optionen, so nachhaltig wie möglich zu wirtschaften. Wenn man sich bewusst macht, wie viele Teile eines Tieres, zum Beispiel beim Rind, gar nicht genutzt oder nur sehr selten nachgefragt werden, öffnet sich das Bewusstsein hin zu einer möglichst optimalen Ressourcennutzung. Ähnlich wie im obigen Beispiel mit dem Fisch muss man sich die Frage stellen, ob wirklich jeder einzelne Gast ein identisches Angebot zur Auswahl bekommen muss. Oder ob nicht im Sinne der Verwertung möglichst vieler Rohstoffe aus derselben Quelle auch unterschiedliche Speisen, aber in kleineren Mengen angeboten werden. Durch die Verknappung entsteht hier auch der psychologische Effekt einer gesteigerten Wertigkeit. Und es besteht auch die Chance, dass durch ganz bewusste Reduktion ein Gast viel zielgenauer entscheidet, was gegessen wird und was nicht. Ein großer Schritt in Richtung der Eindämmung von Lebensmittelverschwendung. Bekommen alle Gäste das gleiche Gericht, wird es viele geben, denen der ein oder andere Bestandteil dann nicht schmeckt, und der dann liegengelassen und entsorgt werden muss.
Der höhere Aufwand für vegane oder vegetarische Verpflegung schlägt sich im Preis nieder, und so wird es auch für die Budgetplanung nicht mehr wirklich relevant sein, welcher Art ein Essen sein wird. Wenn nur ein Betrag x pro Tag pro Gast definiert wird, die Küche darüber hinaus gestalten kann, ohne sich zu viele Gedanken zu den Befindlichkeiten der unterschiedlichen Gruppen machen zu müssen, entstehen ganz andere Freiräume und spannende Variationen in der Ausgestaltung des gastronomischen Angebots. Es kann sich lohnen, hier sehr frühzeitig in den Dialog mit den verschiedenen Caterern zu gehen und auch mehrere Angebote durchzuspielen; so könnte es zwischen dem "klassischen" Konzept (Fleisch plus Alternative) und einem sehr progressiven, "mutigen" (vegetarisch/vegan und Fleisch ersetzt durch pflanzliche Ersatzprodukte) den Mittelweg geben, der über die Reduktion wie oben beschrieben einen positiven Impact hat, ohne die gewohnten Pfade zu verlassen.
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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch Nachhaltigkeit im Eventmanagement, das 2023 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch.