Für die Bestimmung des Vervielfältigers aus Anlage 37 zum BewG zur Kapitalisierung des Reinertrags ist neben der Restnutzungsdauer des Gebäudes der Liegenschaftszinssatz für das Grundstück heranzuziehen. Liegenschaftszinssätze sind die Zinssätze, mit denen der Wert von Grundstücken abhängig von der Grundstücksart durchschnittlich und marktüblich verzinst wird. Mit den Liegenschaftszinssätzen werden die allgemein vom Grundstücksmarkt erwarteten künftigen Entwicklungen, insb. der Ertrags- und Wertverhältnisse sowie der üblichen steuerlichen Rahmenbedingungen, berücksichtigt. Besondere Ertragsverhältnisse, die auf wohnungs- und mietrechtliche Bindungen zurückzuführen sind, bleiben unberücksichtigt.
Bei der Ermittlung des Grundsteuerwerts gelten unter Berücksichtigung der Anpassung nach § 256 Abs. 2 und Abs. 3 BewG die folgenden gesetzlich festgelegten Zinssätze:
- 2,5 % für Ein- und Zweifamilienhäuser,
- 3,0 % für Wohnungseigentum,
- 4,0 % für Mietwohngrundstücke mit bis zu sechs Wohnungen,
- 4,5 % für Mietwohngrundstücke mit mehr als sechs Wohnungen.
Beraterhinweis Die von den örtlichen Gutachterausschüssen ermittelten und veröffentlichten Liegenschaftszinssätze sind nicht anzusetzen. Dadurch wird der örtliche Grundstücksmarkt nur sehr eingeschränkt bei der Wertermittlung berücksichtigt.
Bei der Bewertung von Ein- und Zweifamilienhäusern verringert sich der Liegenschaftszinssatz um jeweils 0,1 Prozentpunkte je volle 100 EUR, die der Bodenrichtwert oder Bodenwert nach § 247 Abs. 3 BewG je Quadratmeter die Grenze von 500 EUR je qm übersteigt. Ab einem Bodenrichtwert oder Bodenwert nach § 247 Abs. 3 BewG (umgerechnet auf einen Wert je qm) von 1.500 EUR je qm wird ein einheitlicher Liegenschaftszinssatz von 1,5 % angewendet. Durch den niedrigeren Liegenschaftszinssatz ergeben sich höhere Vervielfältiger.
Beispiel
Einfamilienhaus in einer Bodenrichtwertzone mit einem Bodenrichtwert von 930 EUR/qm.
Der Liegenschaftszinssatz für Einfamilienhäuser beträgt grundsätzlich 2,5 %. Da im vorliegenden Fall der Bodenrichtwert von 930 EUR/qm die Grenze von 500 EUR/qm um vier volle 100 EUR übersteigt, reduziert sich der Liegenschaftszinssatz um 4 x 0,1 Prozentpunkte, also 0,4 Prozentpunkte, und beträgt somit 2,1 %.
Bei der Bewertung von Wohnungseigentum verringert sich der Liegenschaftszinssatz um jeweils 0,1 Prozentpunkte je volle 100 EUR, die der Bodenrichtwert oder der Bodenwert nach § 247 Abs. 3 BewG je qm die Grenze von 2.000 EUR je qm übersteigt. Ab einem Bodenrichtwert oder Bodenwert nach § 247 Abs. 3 BewG (umgerechnet auf einen Wert je qm) von 3.000 EUR je qm, wird ein einheitlicher Liegenschaftszinssatz von 2 % angewendet.
Beraterhinweis Bei Mietwohngrundstücken erfolgt keine Anpassung des Liegenschaftszinssatzes, obwohl für Wohnungseigentum die gleichen Nettokaltmieten gem. Anlage 37 zum BewG wie für Mietwohngrundstücke angesetzt werden. Auch die Bewirtschaftungskosten für Wohnungseigentum sind gem. Anlage 40 zum BewG nur 2 Prozentpunkte höher als die Bewirtschaftungskosten für Mietwohngrundstücke. Das Bewertungsergebnis verändert sich gleichwohl signifikant, wenn ein neu gebautes Mietwohngrundstück mit vier Wohnungen in einer Lage mit sehr hohem Bodenrichtwert (Bodenrichtwert > 3.000 EUR/qm) in Wohnungseigentum aufgeteilt wird, während das in unmittelbarer räumlicher Nähe gelegene baugleiche Schwestergrundstück ungeteilt bleibt. Für das in Wohnungseigentum aufgeteilte Grundstück gelten nunmehr die besonderen Liegenschaftszinssätze. Während für das Mietwohngrundstück weiterhin ein Liegenschaftszinssatz von 4 % angewendet wird, kommt bei der Bewertung der vier wirtschaftlichen Einheiten des Wohnungseigentums gem. § 256 Abs. 3 BewG ein Liegenschaftszinssatz von 2 % zur Anwendung.
Beraterhinweis Bei 80 Jahren Restnutzungsdauer ergibt sich für das Mietwohngrundstück gem. Anlage 37 zum BewG ein Vervielfältiger von 23,92 und für die wirtschaftlichen Einheiten des Wohnungseigentums ein Vervielfältiger von 39,74. Es ist m.E. äußerst fraglich, ob durch diese Vorgehensweise eine vom BVerfG geforderte relationsgerechte Bewertung bei Mietwohnungen und Wohnungseigentum in hochwertigen Lagen erreicht wird (vgl. zu den Anforderungen an eine wertabhängige Bemessungsgrundlage BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, BVerfGE 2018, 148 Rz. 98).