Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bei Ungleichbehandlung einer liechtensteinischen Familienstiftung im Bereich der Schenkungsteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Das Verbot der Diskriminierung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 DBA, dessen Anwendungsbereich sich auch auf juristische Personen erstreckt, untersagt keine steuerliche Differenzierung nach der Ansässigkeit bzw. der unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht sondern beschränkt sich auf solche Schlechterstellungen, die darauf abstellen, ob die Errichtung der betreffenden Körperschaft nach inländischem oder nach dem Recht des anderen DBA-Staates erfolgte.
- Die steuerliche Behandlung von Schenkungen fällt unabhängig davon, ob es sich bei der Zuwendung um Geldbeträge, um bewegliche oder unbewegliche Sachen handelt, unter die Kapitalverkehrsfreiheit.
- Bei der Besteuerung einer Schenkung innerstaatliche Besteuerungsnorm stellen stehen der Kapitalverkehrsfreiheit immer dann entgegen, wenn Auslandsvermögen aufgrund fehlender Abzugsmöglichkeit von Belastungen oder aus formellen Gründen, z.B. kürzeren Verjährungsfristen, ungünstiger bzw. höher bewertet wird als Inlandsvermögen oder wenn Inländer als unbeschränkt Steuerpflichtiger aufgrund höherer Freibeträge oder geringerer Steuersätze weniger Steuer auf gleiche Erwerbe bezahlen müssen als beschränkt Steuerpflichtige.
- Die Regelung des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG, die bei Zuwendungen eines Inländers an eine im Inland ansässige Familienstiftung gewährt, indem sie von der Bemessungsgrundlage der Steuer eine Steuerermäßigung in Abzug bringt, stellt regelmäßig eine verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs dar.
- Zur Beseitigung der Europarechtswidrigkeit ist die Steuerbegünstigung des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG auch der ausländischen Stiftung zu gewähren.
Normenkette
ErbStG § 15 Abs. 2 S. 1; EWR-Abkommen Art. 40
Streitjahr(e)
2016
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung der Steuerbegünstigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der zum Besteuerungszeitpunkt geltenden Fassung (ErbStG) bei einer freigebigen Zuwendung an eine ausländische Stiftung.
Der Kläger errichtete mit einem Widmungsbetrag von 0,00 € die A Stiftung (im Folgenden Stiftung) mit Sitz und Geschäftsleitung im Fürstentum Liechtenstein. Laut § 3 der Satzung fördert und unterstützt die Stiftung die genannten Begünstigten. Begünstigte der Stiftung sind nach § 4 der Satzung i. V. m. der Stiftungszusatzurkunde ausschließlich der Stifter, seine Ehefrau sowie in gerader absteigender Linie verwandte Abkömmlinge im Rahmen der Generationsnachfolge. Einkommensteuerrechtlich handelt es sich um eine so genannte intransparente Familienstiftung gemäß § 15 Abs. 6 des Außensteuergesetzes (AStG). Das statutarische Stiftungskapital wurde von Seiten des Stifters erbracht; das Kapital steht nach Feststellung des Stiftungsvorstandes zur uneingeschränkten Verfügung der Stiftung. Gemäß § 6 Abs. 1 der Stiftungssatzung übernimmt der Stifter die anfallende Schenkungsteuer.
Diesen Sachverhalt zeigte die Stiftung am 16. September 2016 beim Beklagten (das Finanzamt - FA -) an. Sie vertrat die Auffassung, gemäß § 10 Abs. 2 ErbStG betrage der steuerpflichtige Erwerb einschließlich übernommener Schenkungsteuer insgesamt 0,00 €; nach Abrundung und unter Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe von 200.000 € sei die Schenkungsteuer gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit dem Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 ErbStG (Steuersatz in Höhe von 15 %) in Höhe von 0,00 € festzusetzen. Der in der nationalen Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG enthaltene Vorbehalt der Errichtung einer Familienstiftung „im Inland” sei im Hinblick auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Liechtenstein vom 17. November 2011, Bundesgesetzblatt - BGBl - 2012 II 1463; im Folgenden DBA) staatsvertragswidrig. Zudem sei der Vorbehalt europarechtswidrig und daher im Streitfall nicht anzuwenden. Im Einzelnen wurde ausgeführt, die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG verstoße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot des Art. 24 DBA, da das Erfordernis der Errichtung im Inland zu einer signifikanten Benachteiligung der liechtensteinischen Stiftung als Staatsangehörige des Fürstentums Liechtenstein führe. Auch wenn der Bereich der Schenkungsteuer in Art. 2 DBA nicht explizit aufgeführt sei, finde Art. 24 DBA als allgemeiner steuerrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung. Darüber hinaus stelle die nationale Regelung auch einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit dar. Insbesondere sei die Argumentation, es sei bei liechtensteinischen Familienstiftungen nicht gewährleistet, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen überprüft werden können, seit dem Inkraft...