rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfteerzielungsabsicht bei vertragswidriger unentgeltlicher Weiternutzung einer Wohnung
Leitsatz (redaktionell)
- Eine steuerlich relevante Tätigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn dem Steuerpflichtigen kein Nutzungsentgelt, sei es in Form einer regulären Miete, sei es in Form einer Nutzungsentschädigung beziehungsweise einer Schadensersatzleistung, zufließt. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige weiterhin die Absicht verfolgt, ein Nutzungsentgelt zu erzielen.
- Der Umstand, dass der Vermieter durch ein vertragswidriges Verhalten der Mieter gezwungen ist, diesen auch nach Ablauf der Räumungsfrist die Wohnung zur Nutzung zu überlassen, ändert ebenso wenig etwas an der Einkünfteerzielungsabsicht wie die Absicht, die Wohnung zu veräußern.
- Nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören die Aufwendungen, die dem Kläger durch die Zwangsräumung der Wohnung entstehen.
- Für die Abfindung, die der Vermieter dem Mieter zur Räumung der Wohnung zahlt, ist ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen, wenn der Vermieter die Wohnung anschließend selbst nutzt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, §§ 2, 21 Abs. 1
Streitjahr(e)
2002
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zu 1. die Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, schon allein dadurch aufgegeben hat, dass er über die vermietete Wohnung einen Kaufvertrag abgeschlossen und im zeitlichen Zusammenhang damit gegenüber den bisherigen Mietern die Kündigung des Mietvertrages und sodann die Räumung der Wohnung betrieben hat. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Seit 1992 war der Kläger zu 1. Eigentümer einer Wohnung in dem Gebäude
X -Straße in R . Er hatte diese Wohnung ständig an fremde Personen vermietet, zuletzt an die Eheleute T (Mietvertrag vom 15.03.1999).
Am 12.06.2001 schloss der Kläger zu 1. mit Herrn S einen notariellen Vertrag, durch den er sich zum Verkauf der vorgenannten Wohnung verpflichtete. Unter Abschn. V Nr. 1 des Vertrages war Folgendes vereinbart: Die Besitzübergabe sollte zum 01.09.2001 erfolgen. Bedingung hierfür war jedoch, dass die Mieter bis zu diesem Termin die Wohnung geräumt haben sollten.
Durch Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2001 erhob der Kläger zu 1. vor dem Amtsgericht R Klage mit dem Antrag, die Eheleute T zur Räumung der Wohnung zu verurteilen. Zur Begründung machte er geltend: Die Eheleute T befänden sich derzeit mit den Mieten für die Monate Juni, Juli, September und Oktober 2001 in Rückstand. Deswegen habe er den Mietvertrag mit Schreiben vom 27.09.2001 gekündigt. Die dort gesetzte Räumungsfrist hätten die Eheleute T nicht eingehalten. Die Angelegenheit sei auch deshalb besonders eilig, weil er, der Kläger zu 1., sich durch den Kaufvertrag vom 12.06.2001 verpflichtet habe, die Wohnung in geräumtem Zustand an den Käufer zu übergeben.
Im Laufe des weiteren Verfahrens vor dem Amtsgericht ließ der Kläger zu 1. durch seinen Prozessbevollmächtigten außerdem vortragen: Er habe bereits am Anfang des Jahres 2001 beschlossen, die Wohnung zu veräußern. Schon zu dieser Zeit seien die Eheleute T in Zahlungsschwierigkeiten gewesen (Schriftsatz vom 20.11.2001).
Das Amtsgericht verurteilte – dem Antrag des Klägers zu 1. entsprechend – die Eheleute T zur Räumung der Wohnung. Hierzu führte es u. a. aus: Der Kläger zu 1. sei zur fristlosen Kündigung des Mietvertrags berechtigt gewesen, weil die Eheleute T mit mindestens drei Monatsmieten im Rückstand gewesen seien. Er habe daher einen Anspruch auf Räumung der Wohnung. Der Vortrag der Eheleute T , es hätte im Laufe des Jahres 2001 zwischen den Mietparteien eine Absprache über ein mietfreies Wohnen gegeben, sei im Ergebnis unsubstantiiert. Nach den Gesamtumständen des Falles bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 1. auf seinen Anspruch zur Zahlung der Miete verzichtet habe (Urteil vom 27.03.2002).
Da die Eheleute T nicht bereit waren, dem vorgenannten Urteil freiwillig Folge zu leisten, beauftragte der Kläger zu 1. den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsräumung. Diese wurde dann am 26.08.2002 vollzogen.
Obwohl nunmehr die Voraussetzungen für die Übergabe der Wohnung an den Käufer S gegeben waren, konnte der Vertrag vom 12.06.2001 nicht mehr durchgeführt werden, weil Herr S zwischenzeitlich in Zahlungsschwierigkeiten geraten war. Der Kläger zu 1.erklärte deshalb den Rücktritt vom Vertrag. Mit notariellem Vertrag vom 30.12.2002 verkaufte er die Wohnung sodann an eine andere Person. Dieser Vertrag wurde wie vereinbart durchgeführt.
In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2002 machten die Kläger in Bezug auf den Kläger zu 1. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung folgende Angaben:
- Mieteinnahmen |
0 EUR |
- Absetzung für Abnutzung (AfA) |
./. 1.850 EUR |
- Schuldzinsen |
./. 4.174 EUR |
- Umlagen |
./. 2.674 EUR |
- Rechtsanwaltskosten |
./. 1.840 EUR |
- Werbungskostenüberschuss |
./. 10.538 EUR |