Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rücknahme eines rechtswidrigen Haftungsbescheides trotz Änderung der Rechtsansicht vor Bestandskraft
Leitsatz (redaktionell)
- Die Ablehnung der Rücknahme eines rechtswidrigen unanfechtbaren Haftungsbescheides ist regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn der Haftungsschuldner die Gründe, die seiner Auffassung nach eine Rücknahme rechtfertigen mit einem fristgerecht eingelegten Einspruch gegen den Bescheid hätte vorbringen können.
- Der Umstand, dass das Bundesamt für Finanzen nach Bestandskraft des Bescheides seine Ansicht hinsichtlich der Beurteilung des dem Bescheid zu Grunde liegenden Sachverhaltes ändert, stellt keine Änderung der Rechtslage im Sinne von § 130 Abs. 1 AO, sondern lediglich eine Änderung der Rechtsansicht der Verwaltung dar.
- Das fehlerhafte Zitieren von Rechtsvorschriften und das Übersehen von BFH-Urteilen führen nicht zwingend zu einem schweren Rechtsverstoß.
- Das Finanzamt ist in Fällen, in denen der Steuerpflichtige substantiiert Tatsachen zur Rechtswidrigkeit vorgetragen und es nach eigener Sachprüfung die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellt hat, nicht zwingend verpflichtet, den Verwaltungsakt zurückzunehmen.
Normenkette
AO §§ 5, 130 Abs. 1, § 191; EStG § 50a Abs. 4 Nr. 3
Streitjahr(e)
1994, 1995, 1996, 1997
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein unanfechtbarer rechtswidriger Haftungsbescheid nach § 130 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) zurückzunehmen ist.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A KG. Die A KG zahlte in den Jahren 1994 bis 1997 Vergütungen für die Überlassung eines Flugzeuges vom Typ B an die C, eine ausländische Kapitalgesellschaft, die in den Niederlanden ansässig war. Sie unterhielt im Inland weder eine Betriebsstätte noch hatte sie im Inland einen ständigen Vertreter bestellt.
Hinsichtlich dieser Vergütungen hatte die C bei dem Bundesamt für Finanzen einen Antrag auf Freistellung von inländischen Einkünften vom Steuerabzug im Sinne des § 50a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in dem Freistellungsverfahren gemäß § 50d Abs. 3 EStG a.F. gestellt, den das Bundesamt für Finanzen jedoch am 23. Juli 1998 aufgrund des mit den Niederlanden bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens ablehnte. Da die A KG der Aufforderung des Finanzamtes, den Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 EStG für die inländischen Einkünfte der beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigerin anzumelden und zu entrichten, nicht nachkam, erließ das Finanzamt am 4. Dezember 1998 für die Jahre 1994, 1995, 1996 und 1997 einen Haftungsbescheid. In dem Haftungsbescheid gab es als Rechtsgrundlagen u.a. die §§ 2 und 8 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und die §§ 49 Abs. 1 Nr. 6 und 50a Abs. 4 und 5 EStG an. Zur Begründung führte das Finanzamt weiter aus, die A KG habe in den bezeichneten Jahren der C, die mangels Sitz oder Geschäftsleitung im Inland beschränkt steuerpflichtig gewesen sei, Vergütungen für die Überlassung beweglicher Sachen gezahlt (wegen des weiteren Inhalts des Haftungsbescheids und der Begründung wird auf die Bl. 1 ff. des Aktensonderbandes „§ 50a Abs. 4 EStG” verwiesen). Gegen den Haftungsbescheid legte die A KG am 6. Januar 1999 Einspruch ein und verwies zur Begründung zunächst u.a. auf das von der C betriebene Rechtsbehelfsverfahren vor dem Bundesamt für Finanzen gegen die Ablehnung des gestellten Freistellungsantrages.
In dem gleichzeitig von der C betriebenen Einspruchsverfahren vor dem Bundesamt für Finanzen wurde u.a. darüber gestritten, ob die C oder die hinter dieser Gesellschaft stehende D Ltd. in Japan Vergütungsgläubiger der streitigen Zahlungen war und ob ggf. nach Art. 12 Abs. 1 DBA Japan ein reduzierter Steuersatz für die Einbehaltung von Abzugssteuern in Höhe von 10 v.H. zur Anwendung kommt (insoweit wird auf den Schriftsatz des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters…vom 25. Februar 1999, Bl. 11 f. des Aktensonderbandes „§ 50a Abs. 4 EStG” und auf die Einspruchsbegründung der C vom 19. März 1999, Bl. 25ff. des Aktensonderbandes „§ 50a Abs. 4 EStG”, verwiesen). In dem Verfahren vor dem Bundesamt für Finanzen wurde dann Einigkeit darüber erzielt, dass letztlich nicht die C Vergütungsgläubigerin der streitigen Zahlungen war, sondern die D Ltd. in Japan bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die E. Die insoweit gestellten Freistellungsanträge lehnte das Bundesamt für Finanzen für die Jahre 1994 und 1995 durch Verfügung vom 6. April 2000 ab. Für den Zeitraum 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 2002 erteilte das Bundesamt für Finanzen der E mit Verfügung vom gleichen Tag eine Bescheinigung des Inhalts, dass der Schuldner der Vergütung berechtigt ist, den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG nach dem von dieser Vorschrift abweichenden niedrigeren Steuersatz von 10 v.H. vorzunehmen (wegen des Inhalts der Verfügungen im Einzelnen wird auf Bl. 69 ff. und 76 ff. des Aktensonderbandes „§ 50a Abs. 4 EStG”, verwiesen). Auf...