Entscheidungsstichwort (Thema)
Zolltarifliche Einreihung von Flüssigkeiten zur diätetischen Behandlung
Leitsatz (redaktionell)
- Flüssige Sondernahrung, die zur diätetischen Behandlung von Mangelernährung geeignet ist, ist zolltariflich als anderes nicht alkoholisches Getränk in die Position 2202 KN einzureihen und unterliegt damit dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer.
- Nach dem System des gemeinsamen Zolltarifs ist „Andere Getränke” in der Tarifnummer 22.02 des als Gattungsbegriff zu verstehen, mit dem alle zum menschlichen Genuss bestimmten Flüssigkeiten gemeint sind, soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden.
- Die Tatsache, dass das Produkt aufgrund seiner Inhaltsstoffe dazu dient, den Tagesbedarf von Menschen sowohl hinsichtlich der Nährstoffe wie auch der Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine zu decken, ist für die hier vorzunehmende Einreihung ebenso unbeachtlich, wie die Möglichkeit, dass diese Flüssigkeit nicht nur zum unmittelbaren menschlichen Genuss bestimmt und geeignet ist, sondern darüber hinaus über eine Magen- oder Darmsonde dem Körper des jeweiligen Patienten zugeführt werden kann.
Normenkette
Zolltarif KN Pos 2202; Zolltarif KN Pos 2105; UStG Anl. 2 Nr. 33 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1; UStG § 12 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
2008
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die zolltarifliche Einreihung der von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Produkte A und Produkt B, weil davon der anzuwendende Umsatzsteuersatz (im Streitfall für das Jahr 2008) abhängt.
Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz i.V.m. Nr. 33 der Anlage 2 unterfallen Lebensmittelzubereitungen im Sinne von Kapitel 21 der Kombinierten Nomenklatur (KN) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz im Jahr 2008 von 7 %. Sofern die Produkte als Getränke in Kapitel 22 KN einzureihen wären, würde dies zur Anwendung des Regelsteuersatzes (in 2008 = 19 %) führen.
Das Produkt A ist zur diätetischen Behandlung von Mangelernährungen bei Kindern ab fünf Jahren, Heranwachsenden und Erwachsenen mit weitgehend intakter Verdauungs- und Resorptionsfunktion geeignet. Der Einsatz dieser Nahrung empfiehlt sich insbesondere bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung, während oder nach Antibiotikatherapie, bei entzündlichen Darmerkrankungen nach Ende der akuten Phase, Darmfunktionsstörungen sowie nach längerer totaler parenteraler Ernährung.
Produkt B ist zur diätetischen Behandlung von Mangelernährung bei Kindern ab 12 Jahren, Heranwachsenden und Erwachsenen mit weitgehend intakter Verdauungs- und Resorptionsfunktion geeignet. Der Einsatz empfiehlt sich insbesondere bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung, normalem Energie- und Nährstoffbedarf, Langzeiternährung mit Ballaststoffen sowie Unverträglichkeiten gegenüber anderen Sondennahrungen.
Beide Produkte werden in den Handelsformen einer Weithalsflasche oder im Flexibag angeboten. In den Produktblättern der Klägerin, auf die insoweit wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, werden beide Produkte als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) bezeichnet. Beide stellen nach Angabe der Klägerin eine gebrauchsfertige, Nährstoff definierte bilanzierte Diät zur ausschließlichen Ernährung dar.
Für Produkte unter der Bezeichnung X sowie Y, die in ihrer Zusammensetzung einerseits Produkt A und andererseits Produkt B entsprechen, hat die damalige Oberfinanzdirektion, Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt, jeweils unter dem 29. Oktober 2002 unverbindliche Zolltarifauskünfte für Umsatzsteuerzwecke. Die Einreihung in die Zollnomenklatur erfolgte für beide als Sondennahrung beschriebenen Waren unter Pos. 2202 9000 00 0 KN als Getränk und nicht als Lebensmittelzubereitung. Die Tarifauskünfte waren von der X- GmbH beantragt worden.
Die Finanzverwaltung hatte bis zum Jahre 2003 die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Sondennahrung als sonstige Lebensmittelzubereitung nicht beanstandet. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Sondennahrung zolltariflich den Getränken zugeordnet und die Umsätze deshalb dem Regelsteuersatz unterworfen. Dies führte mehrfach zu sozialgerichtlichen Streitverfahren, weil die Sozialversicherungsträger die Zahlung des in den Rechnungen enthaltenen Regelsteuersatzes ablehnten. Die Sozialgerichte hielten die von der Zollverwaltung vertretene und von der Finanzverwaltung übernommene Tarifauffassung für unzutreffend. Da sie sich selbst für befugt hielten, die Einreihung vorzunehmen, bewerteten sie die Sondennahrung weiterhin als Lebensmittel, für das der begünstigte Steuersatz anzuwenden sei. Die entsprechenden Urteile z.B. des Landesozialgerichtes Rheinland-Pfalz (vom 02.08.2007 L 5 KR 200/05 – Juris) und des Bayerischen Landessozialgerichtes (vom 12.07.2008 L 5 KR 223/06 – Juris) wurden dann allerdings vom Bundessozialgericht aufgehoben (Urteile des Bundessozialgerichtes vom 17. Juli 2008 B 3 KR 16/0...