Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung;Versäumnisurteil;Wohnungswechsel; Wiedereinsetzung
Leitsatz (amtlich)
Eine wirksame Zustellung nach §§ 181, 182 ZPO kann auch unter einer sog. „Scheinwohnung” erfolgen. Eine unverschuldete Fristversäumung kann nicht angenommen werden, wenn 7 –9 Monate nach dem Auszug aus der mit einer Lebensgefährtin geteilten Wohnung ohne polizeiliche Ummeldung oder Nachsendeantrag und weiterhin vorhandenem Namen des Empfängers am Briefkasten sowie lediglich vagen Absprachen über die Weiterleitung von Schriftstücken diese Lebensgefährtin dem Empfänger eine Nachricht über eine Niederlegung nicht nachsendet.
Normenkette
ZPO § 341 Abs. 1, §§ 233, 181-182
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 15.06.1999; Aktenzeichen 4 Ca 7626/98) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 1999 – 4 Ca 7626/98 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger war seit Januar 1995 bei der Firma D. C. M. AG (i.G.) beschäftigt. Für diese Aktiengesellschaft in Gründung handelte neben dem Beklagten, der sich in einer Strafanzeige vom 30. November 1995 als Vorstandsvorsitzender dieser im Aufbau befindlichen Aktiengesellschaft bezeichnete und angab, dass mit dem Kläger als Direktor der Aktiengesellschaft ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden sei (vgl. Bl. 46 d. A.), ein R. P..
Der Kläger und der für die in Gründung befindliche Aktiengesellschaft handelnde R. P. schlossen am 11. Oktober 1995 (Bl. 10 d. A.) einen Aufhebungsvertrag, in welchem eine Sonderzahlung in Höhe von DM 60.000 netto und am 17. Oktober 1995 (Bl. 9 d. A.) einen weiteren Aufhebungsvertrag, in welchem eine Abfindung in Höhe von DM 60.000 netto für den Kläger vereinbart wurde. Von der in Gründung befindlichen Aktiengesellschaft wurden die Gehälter von Januar bis September 1995 ohne Steuerabzug ausgezahlt. Dadurch ist eine Überzahlung in Höhe von DM 26.697,52 entstanden, die nach Auffassung des Klägers von den Beklagten noch zu versteuern ist. Hinsichtlich der vereinbarten Abfindung wurden Steuern nur für den Nettobetrag in Höhe von DM 60.0000 und nicht aus dem entsprechenden Bruttobetrag entrichtet.
Mit am 30. Dezember 1997 bei Gericht eingegangener Klageschrift hat der Kläger beantragt, die Beklagten P. und T. zu verpflichten, ihm den Nachteil zu ersetzen, der aus der fehlerhaften Versteuerung der Nettobeträge resultiert.
Der Beklagte T. wurde am 30. Januar 1998 unter der Adresse „E.” in 6 F. durch Niederlegung zum Termin geladen, der zunächst auf den 26. Febr. 1998 anberaumt war. Der Zusteller vermerkte auf der Zustellungsurkunde (Bl. 16 d. A. 4 Ca 10632/97), er habe in der Wohnung des in der Anschrift bezeichneten Empfängers niemanden angetroffen und deshalb die Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung wie bei gewöhnlichen Briefen üblich in den Hausbriefkasten eingelegt. Auf Antrag des Klägers wurde der Termin auf den 12. März 1998 verlegt. Der Beklagte wurde durch Niederlegung umgeladen. Diesmal brachte ein anderer Zusteller den Zustellungsvermerk auf der Zustellungsurkunde an (Bl. 16 d. A. 4 Ca 10632/97). Zum Termin am 12. März 1998 waren beide Beklagte säumig, weshalb Versäumnisurteil gegen sie erging (Bl. 24 d. A.). Das Versäumnisurteil wurde dem Beklagten T. unter der Anschrift „E.” in 6 F. durch Niederlegung am 17. März 1998 zugestellt. Den Zustellvermerk brachte diesmal wieder der erste Zusteller auf der Zustellungsurkunde an (Bl. 26 d. A. 4 Ca 10632/97).
Der Beklagte war bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ausschließlich in der „E.” in 6 F. gemeldet war. Auf dem Hausbriefkasten befindet sich ein Hinweis auf ihn. Er hat unter der Wohnanschrift S. S. in E. am 13. Juli 1999 die eidesstattliche Versicherung abgegeben (Bl. 105 ff. d. A.). Er hat in der Versicherung angegeben, er werde von Frau K., „wohnhaft hier”, unterstützt.
Mit am 4. Sept. 1998 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Durch Beschluss vom 5. Oktober 1998 (Bl. 36 R d. A.) wurde das Verfahren gegen den Beklagten T. abgetrennt.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten sei zurückzuweisen, da er nicht glaubhaft gemacht habe, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, die Einspruchsfrist einzuhalten.
Der Kläger hat beantragt,
den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig zurückzuweisen.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 12. März 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie dem Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Beklagte hat behauptet, in der Woche des 4. September 1998 über eine Rechnung der Gerichtskasse und die Nachfrage bei Gericht durch seinen Prozessvertreter Kenntnis von dem Versäumnisurteil erlangt zu haben. Von der Niederlegung des Versäumnisurteils habe er nichts gewusst. Die Zu...