Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Werden die Besteuerungsgrundlagen in der Einkommensteuerjahreserklärung wissentlich falsch erklärt und deshalb die Einkommensteuervorauszahlungen nicht in zutreffender Höhe festgesetzt, können Hinterziehungszinsen für hinterzogene Einkommensteuervorauszahlungen
festgesetzt werden.
Sachverhalt
Das Finanzamt setzte Einkommensteuervorauszahlungen gegenüber dem Kläger - einem Zahnarzt - ab dem I. Quartal 2001 fest. Dieser Festsetzung lagen die geschätzten Besteuerungsgrundlagen für 1999 zu Grunde. Die Herabsetzung der Vorauszahlungen ab dem IV. Quartal 2004 erfolgte aufgrund eines Antrags des Klägers.
Im Jahr 2010 erstatte der Kläger Selbstanzeige und erklärte Kapitalerträge aus einem Depot bei der B-Bank/Schweiz nach. Daraufhin änderte das Finanzamt die bisher entsprechend den eingereichten Steuererklärungen ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2003 bis 2006.
Zudem erließ es für jedes Streitjahr einen Bescheid über Hinterziehungszinsen und berücksichtigte einen Zinslauf, der jeweils ab Fälligkeit der Vorauszahlungen begann und zum Zeitpunkt der Zahlung der aufgrund der geänderten Festsetzungen nachgeforderten Beträge endete. Der Ansicht des Klägers, dass die Hinterziehung erst mit der Einreichung der Jahressteuererklärungen vollendet worden sei, folgte das Finanzamt nicht.
Entscheidung
Das Finanzgericht entscheidet, dass der Hinterziehungsvorsatz des Klägers auch die Vorauszahlungen umfasst hat. Er hat billigend in Kauf genommen, dass aufgrund der unvollständigen Erklärung der Einkünfte ab 1999 auch die Vorauszahlungen nicht in zutreffender Höhe festgesetzt worden sind.
Dem Kläger sei als selbstständigem Zahnarzt bekannt gewesen, dass auf Einkünfte, die keinem Steuerabzug unterlägen, regelmäßig Vorauszahlungen festgesetzt würden. Tatsächlich habe das Finanzamt gegenüber ihm auch Vorauszahlungen festgesetzt. Da dem Kläger auch bekannt gewesen sein musste, dass auf die in der Schweiz erzielten Kapitalerträge keine inländische Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt worden sei, habe er es zumindest für möglich gehalten, dass hierauf auch Vorauszahlungen hätten festgesetzt werden müssen. Dies genüge für die Annahme eines Hinterziehungsvorsatzes.
Hinweis
Die Berechnung von Hinterziehungszinsen bezüglich Einkommensteuervorauszahlungen ist außerordentlich komplex. Das liegt daran, dass für jeden Voranmeldungszeitraum, der den Beginn des Zinslaufs markiert, die Höhe der jeweils hinterzogenen Beträge berechnet werden muss. Ob sich ein Hinterziehungsvorsatz bei der Abgabe der Einkommensteuerjahreserklärung stets auch auf Vorauszahlungen bezieht, ist indes anhand der Würdigung aller konkreten Einzelfallumstände zu beantworten.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 20.04.2016, 7 K 2354/13 E