Ewald Dötsch, Prof. Dr. Franz Dötsch
Leitsatz
Bei summarischer Prüfung ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen auch für Veranlagungszeiträume vor 1993 weiterhin zulässig. Die Anordnung im Urteil des BVerfG vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89 (BVerfG 84, 239, BStBl II 1991, 654), wonach das bisherige Recht zur Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinseinkünfte) auf alle bis zum 31. Dezember 1992 verwirklichten Besteuerungstatbestände weiter anwendbar ist, ist nicht auf das Steuerfestsetzungsverfahren beschränkt. So können Zuwiderhandlungen gegen das bis zum 31. Dezember 1992 geltende Recht zur Besteuerung der Kapitaleinkünfte nach wie vor strafrechtlich verfolgt und geahndet werden. Dem stehen weder verfassungsrechtliche Erwägungen noch § 2 Abs. 3 StGB entgegen.
Normenkette
§ 235 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Die Antragsteller (Eheleute) hatten in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1988 bis 1992 ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht (vollständig) deklariert. Nachdem dem Finanzamt dieser Sachverhalt bekannt geworden war, änderte es gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die betreffenden Einkommensteuerbescheide. Diese Änderungsbescheide wurden bestandskräftig. Überdies setzte das Finanzamt Hinterziehungszinsen fest.
Die Zinsbescheide haben die Antragsteller mit dem Einspruch angefochten, über den noch nicht entschieden ist. Die von den Antragstellern gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Hinterziehungszinsbescheide lehnten sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht ab.
Entscheidung
Der BFH wies die vom FG zugelassene Beschwerde als unbegründet zurück.
Mit Recht habe das FG angenommen, dass an der Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) keine ernstlichen Zweifel bestünden. Das BVerfG habe in seinem Zinsurteil (siehe Leitsatz, a.a.O.) ausdrücklich die Fortgeltung der hier einschlägigen materiellen Steuernormen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 = § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.) bis zum Ende des hier streitigen Zinszahlungszeitraums (31.12.1992) angeordnet.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller und eines Teils des Schrifttums (vgl. Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, Stbg 1998, 485) könne die Strafbarkeit der Zinssteuerhinterziehung und damit auch die (Verfassungs-)Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zinsbescheide weder unter Hinweis auf § 79 Abs. 1 BVerfGG noch im Hinblick auf § 2 Abs. 3 StGB in Zweifel gezogen werden.
Hinweis
Obwohl die Entscheidung im summarischen Eilverfahren ergangen ist, wurde sie sehr ausführlich begründet. Die Chancen, dass der BFH in einem künftigen Hauptverfahren anders entscheiden wird, dürften deshalb eher gering einzuschätzen sein, zumal der II. Senat des BFH in einem Hauptverfahren betreffend Hinterziehungszinsen zur Vermögensteuer in gleicher Weise entschieden hat (vgl. BFH, Urteil vom 24.5.2000, II R 25/99, BStBl II 2000, 378). In seiner Begründung folgt der VIII. Senat in wesentlichen Teilen den Gründen des II. Senats.
Gegen das Urteil des II. Senats ist allerdings Verfassungsbeschwerde erhoben worden (Az. 1 BvR 1242/00). In Parallelfällen sollten Sie daher prüften, ob eine Offenhaltung bis zur Entscheidung des BVerfG lohnend erscheint.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 27.10.2000, VIII B 77/00